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9t). Calverl an Harry.
Horizont vor uns leuchtete matt das weiße Gestade von England. Der Himmel
wehte düster, wie ein graues Tuch. Der Wind rasete, aber kein Tropfen des
Regens fiel. Ein Mast lag gebrochen. Die Wellen wandelten wie glänzende
Berge und donnerten zerschäumend. Einige Matrosen schrieen und fluchten, andere
standen wie stumme Todesbilder. In der Mitte des Fahrzeugs erblickte ich
einen Greis in schwarzen Kleidern mit schneeweißen Haaren, die der Sturm
zerriß, eine hohe majestätische Gestalt. Mit der einen Hand hielt er sich an
einem Schiffsseil, die andere hatte er auf das Haupt eines jungen Mädchens
gelegt, welches auf den Knieen neben ihm halb ohnmächtig hingesunken war
und seine Beine umklammerte. Sein Blick war ruhig gegen den Himmel ge¬
wandt, und mit langsamer, aber starker Stimme hob er plötzlich an: „Siehe,
der Tag, siehe, er kommt daher, er bricht an! Alle Hände werden dahin sinken,
und alle Kniee werden so ungewiß stehen wie Wasser, werden Säcke um sich
gürten und mit Furcht überschüttet sein, und aller Angesicht jämmerlich sehen,
und aller Häupter werden kahl sein. Sie werden ihr Silber hinaus auf die
Gassen werfen und ihr Gold als einen Unflat achten; denn ihr Silber und
Gold wird sie nicht erretten am Tage des Zorns des Herrn."
Ich schauderte bei diesen Worten des Ezechiel. Der Alte selbst schien mir
einer der ehrwürdigsten Propheten zu sein. Seine Furchtlosigkeit und dazu seine
Rede waren entweder etwas Übermenschliches oder Wahnsinn. Indem über¬
rannte mich fast ein Matrose. „Wo ist der Kapitän, wo der Steuermann?"
fragte ich, da ich keinen von beiden sah. — „Über Bord, eine Welle schlug
über, das Steuer ist zerbrochen; fünf Mann sind verloren!"
Jetzt erst ward mir unsere Gefahr hell. Ich sah noch einmal aus die
Verwirrung im Schiffe, sprang über zum Steuerruder, fand es noch ganz unver¬
sehrt, bemächtigte mich desselben und gab dem Schiffe in seinem Fluge festere
Richtung. Der Wind trieb gegen die englischen Küsten. Ich hatte Riesenarbeit
und Riesenkraft. Viermal, fünfmal überschlug mich eine Welle. Ich bekümmerte
mich nicht um alles, was vorging; mein Auge hing an der Küste und am
Wogen des Meeres.
Als wir nicht mehr weit vom Gestade waren, sprangen einige Matrosen,
die mich nun erst am Ruder sahen, herauf und befahlen mir abzulenken, daß
das Fahrzeug nicht an den Felsen zerschelle. Die Kerle glichen Rasenden. Ich
wies sie gebieterisch zurück und befahl ihnen, alles bereit zu halten, sich und
was Lebendiges auf dem Paketboot war, zu retten, wenn das Boot in Stücken
gehe. Sie wollten sich meiner bemächtigen. Ich ergriff einen neben mir lie¬
genden Holzpflock, hielt ihn wie eine Pistole gegen sie und schrie: „Fliehet, oder
ich drücke ab und schieße den ersten von euch Rebellen nieder!" — Die Kerle
erschraken, sie zogen sich fluchend und eilfertig zurück. War mein toller Einfall
oder die blinde Furcht der armen Teufel lächerlicher?