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106. Wallensteins Absetzung.
Pforten führten zu dem Palast, den er in Prag bewohnte, und hundert Häuser
mußten niedergerissen werden, um dem Schloßhofe Raum zu machen. Ähnliche
Paläste wurden auf seinen übrigen zahlreichen Gütern erbaut. Kavaliere aus
den edelsten Häusern wetteiferten um die Ehre, ihn zu bedienen, und man sah
kaiserliche Kammerherren den goldenen Schlüssel zurückgeben, um bei Wallensteiu
eben dieses Amt zu bekleiden. Er hielt sechzig Pagen, die von den treff¬
lichsten Meistern unterrichtet wurden; sein Vorzimmer wurde stets von fünfzig
Trabanten bewacht. Seine gewöhnliche Tafel war nie unter hundert Gängen,
sein Haushofmeister eine vornehme Standesperson. Reiste er über Land, so
wurde ihm Geräte und Gefolge auf hundert sechs- und vierspännigen Wagen
nachgefahren; in sechzig Karossen mit fünfzig Handpferden folgte ihm sein
Hof. Die Pracht der Livreen, der Glanz der Equipage und der Schmuck der
Zimmer war dem übrigen Aufwande gemäß. Sechs Barone und eben so viele
Ritter mußten beständig seine Person umgeben, um jeden Wink zu vollziehen;
zwölf Patrouillen die Runde um seinen Palast machen, um jeden Lärm abzu¬
halten. Sein immer arbeitender Kopf brauchte Stille, kein Gerassel der Wagen
durfte seiner Wohnung nahe kommen, und die Straßen wurden nicht selten
durch Ketten gesperrt. Stumm, wie die Zugänge zu ihm, war auch sein Um¬
gang. Finster, verschlossen, unergründlich, sparte er seine Worte mehr, als seine
Geschenke, und das Wenige, was er sprach, wurde mit einem widrigen Tone
ausgestoßen. Er lachte niemals, und den Verführungen der Sinne widerstand
die Kälte seines Blutes. Immer geschäftig und von großen Entwürfen bewegt,
entsagte er allen leeren Zerstreuungen, wodurch andere das kostbare Leben ver¬
geuden. Einen durch ganz Europa ausgebreiteten Briefwechsel besorgte er selbst,
die meisten Aufsätze schrieb er mit eigener Hand nieder, um-der Verschwiegen¬
heit anderer so wenig als möglich anzuvertrauen. Er war von großer Statur
und hager, von gelblicher Gesichtsfarbe, rötlichen, kurzen Haaren, kleinen aber
funkelnden Augen. Ein furchtbarer, zurückschreckender Ernst saß auf seiner
Stirn, und nur das Übermaß seiner Belohnungen konnte die zitternde Schar
seiner Diener festhalten.
In dieser prahlerischen Dunkelheit erwartete Wallenstein stille, doch nicht
müßig, seine glänzende Stunde und der Rache aufgehenden Tag; bald ließ ihn
Gustav Adolfs reißender Siegeslauf ein Vorgefühl desselben genießen. Von
seinen hochfliegenden Plänen ward kein einziger aufgegeben; der Undank des
Kaisers hatte seinen Ehrgeiz von einem lästigen Zügel befreit. Der blendende
Schimmer seines Privatlebens verriet den stolzen Schwung seiner Entwürfe,
und verschwenderisch, wie ein Monarch, schien er die Güter seiner Hoffnung
schon unter seine gewissen Besitzungen zu zählen.
8r. v. Schiller.