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141. Wir sind dem Alter Achtung schuldig.
Schlucht auf blumenreichem Teppich wie in dem innersten Hofe, in dem heiligen
Asyle eines kleinen Tempels, rundum die grünglänzenden Kuppeln von braunen
Säulen getragen, hereintretend über den Raum und ihn verdüsternd, und darin
zur Rechten nur ein einzelnes, braunes, stockwerkhohes Felsenstück, kahl, nur in
seinen Spalten mit grünem Moose bekleidet, ähnelnd einem hohen Altar zu
Priesterdiensten ausersehen. Und ein silberheller Harzbach stürzt sich herab aus
der größten Spalte des dunklen Gesteins, schäumt und perlt unten im runden
Blumenbassin und rauscht in schmaler Steinrinne weiter in das Holz; und oben
auf dem braunen Steine steht eine einzelne schlanke Pflanze des Fingerhutes in
purpurroter Blütenpracht, auf ellenhohem Schaft ihre Glockenkelche wiegend,
als die geweihte, leuchtende Kirchenkerze dieses Heiligtums. Ein Ausruf
freudigen Erstaunens tönt unwillkürlich aus des Beschauers Munde, welcher
gern an dieser Stätte sich lagert und bei so schönem Anblicke die Mühen der
Bergfahrt leicht vergißt. — Doch auch lebendige Genüsse mangeln nicht; dort
weidet ein Rudel schlanker Hirsche auf besonntem Plateau; das Jagdhorn des
Verfolgers tönt fern im Walde und weckt die Stimme der Echo, aber das Reh
mit seinem Kälbchen horcht nicht darauf und genießt ungestört seine Sicherheit,
den vielfachen Fluchtwegen und seiner Schnelligkeit vertrauend. Harmonisches
Glockengeläute trifft unser Ohr, wir glauben wohlabgestimmte Turmglocken
zu hören und meinen auf einen nahen Kirchhof zu stoßen. In das Freie treten
wir mit beeilterem Fuße und sind auf kräuterreicher Weide; die grünen Halme
reichen fast bis zum Knie, und bunte, dichtgedrängte Blumenköpfe wiegt der
Luftzug über der duftenden Fläche. Es ist ein Viehhof, auf den wir treffen,
eine Milchhütte nach Schweizer Art. Starkgehörnte und mächtig große Stiere,
volleutrige Kühe und blanke Rinder, jedes die gelbe Glocke am starken Halse,
sind die Musiker, und der Hirt erquickt uns willig mit den wohlschmeckenden,
reinlichen Schätzen, die seine Herde ihm liefert. — Auch dem Romantiker bleibt
die unerschöpfliche Fundgrube des Berges nicht verschlossen; es wimmelt von
Sagen und Legenden auf dem Harze; fast jede besondere Klippe, jeder Brunnen¬
quell, jeder Schlund, jedes Städtchen, jedes Dorf hat seine Historie, welche der
Nahewohnende gern und unermüdlich erzählt, findet er nur geduldige Ohren
und Zeit bei dem fremden Wandersmann. Auch hier spricht sich, wie auf dem
Thüringerwalde, der treffliche Geist des deutschen Volkes in seinen Sagen aus.
B l u m e n h a g e n.
141. Mir sind dem Achtung schuldig.
Es giebt offenbar eine doppelte Art der Achtung, eine Achtung gegen die
Stärke und Würde, vor der man sich ehrerbietig neigt, und eine Achtung gegen
die Schwäche, der man sich nur mit Behutsamkeit, mit Schüchternheit naht, um
sie ja nicht zu verletzen. Diese schonende Achtung sind wir den Kindern schuldig.