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147. Die Pflanzen.
sprecht ihr laut meine Seele an und offenbart mir klar des Vaters Liebe, des
Vaters Größe! — Nimm, o Buche, mich in deine Schatten auf! Flöße auch in
meine Brust deinen Frieden, wenn ich, mein Dasein vergessend, nach fremden
Leben forsche! — Was wohnt in dir? Was regiert dich? Was rief dich st
schön, so herrlich hervor aus unscheinbarem, einfach gebildetem Samenkorn, rief
dich hervor zum grünenden Baume, diesen Weißdorn aber zum Strauche, zur
bescheidenen Blume das Singrün?
Alle diese herrlichen Gewächse gingen aus Unsichtbarem hervor, alle lagen
einst im Samenkorn versteckt; aber kaum wird dieses erweicht vom Wassertropfen,
da regt und rüstet es sich im Verborgenen zum Eintritt in die Welt. Erstarkt,
sprengt es mit Gewalt seinen engen Kerker; eifrig streckt es das Würzelchen
hervor, das den Weg in die Erde suchet und aus ihr seinen Nektar sauget.
In steter Verwandlung trägt es ihn durch verworrene Wege nie verirrend hin¬
durch und reiht ihn künstlich an den zarten Keim; dieser hebt das Haupt empor
und drängt ergrünend sich ans Licht, streckt den Halm, entwickelt mehr und mehr
die verhüllten Knospen und lenkt rings die flatternden Blätter. Jetzt atmet
das junge Pflänzchen freier, freier mit jedem Blättchen, das sich entfaltet. Aus
grüner Hülle der Blätter schälen sich zartere los; es entkleidet die Blume sich
des schützenden Kelches und breitet ihre bunten Teppiche aus für die erwachten
Lieben, welche Honig bieten, von lockenden Düften umspielt. Ein neues Wesen
entsteht, mehr und mehr reift aus leichter Milch zum festen Kern die Frucht.
' Verfolge aber immerhin noch so eifrig die Spuren des Wachstums; was
hast du gefunden? Die einst so überschwenglich groß und schön hervorwachsende
Pflanze liegt im Samenkorn in Knoten zusammengewickelt, die du nicht zu lösen
vermagst. Kaum sichtbar entdeckst du ihren blassen Keim, eingepreßt zwischen
seine künftige Nahrung, im Keime geschieden, was einst als Wurzel sich ins
Finstere der Erde gräbt, und was schön und glorreich zum höheren Leben dem
Tage sich zuwendet. Vorsichtig umwickelt liegt das Korn von zarten und immer
zarteren Hüllen, und diese bald in trockene, bald in saftige Früchte verschlossen.
Nur die im ewigen Dunkel schleichende Wärme, nur das belebende Licht und
das immer rege Wasser vermögen die Zauberbande zu lösen und dem ver¬
borgenen Lebensfunken die Hülle zu brechen. Staune über die Wunder, sie
bleiben dir ewig Wunder!
Trenne jede Faser der Pflanze, durchsuche alle ihre Gänge und Kammern,
du erblickst nie die Quelle des Lebens! Mit welcher Kunst, mit welcher un¬
denkbaren Kunst und Sorge ist das Gebäude aufgeführt! Siehe, hier steigen
Luftgefäße empor, umschlungen von andern, in geringelten Windungen; Röhrchen
schmiegen an Röhrchen sich, die bald in verworrene Knäuel verflochten, bald als
zartes Adergewebe die Fläche der Blätter überspinnen, jetzt in Drüsen sich öffnen,