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150. Das Wort.
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<3m schweigenden Busen wird wunderbar
Das Wörtlein im stillen geboren.
Da wächset ihm heimlich ein Flügelpaar
Vom Herzen zum Boten erkoren.
Es öffnet der Lippen verschlossenen Saum
Und schwebet dann säuselnd im luftigen Raum.
Nun suchet es sehnend ein anderes Herz,
Sich freundlich mit ihm zu vereinen;
Erhöhet die Freuden und läßt den Schmerz
Die Thränen der Linderung weinen.
Es kühlet des Busens verschlossene Glut
Und stillet die Wogen im wallenden Blut.
Juweilen auch rauschet mit Blitzesmacht
Das Wort auf gewaltigen Flügeln,
Erhellet des düstern Frevels Nacht,
Und wagt es, Tyrannen zu zügeln!
Wohl zittert der Sklave und wünscht es fort,
Doch freier nur wandelt das lebende Wort.
Wohl schwebet es lieber im zarten Duft
Der Lieb' und des Dankes zur Erde,
Umtönen mildklagend die stumme Gruft,
Erheitert die finstre Geberde,
Begegnet dem Seufzer mit mildem Getön,
Verwandelt in Freude des Darbenden Flehn.
Ja, schwingt nicht hinauf sich in kühner Bahn
Das Wort zu den himmlischen Thoren?
Wohl darf es dem himmlischen Thron sich nahn,
Am Throne der Allmacht geboren!
Bevor ihn die Heerschar der Welten umschlang,
Ertönte des Wortes gewaltiger Klang.
Da rief es hernieder des Lichtes Strahl,
Ihm schwanden die ewigen Dunkel.
Da schmückt' es mit Blumen Gebirg' und Thal,
Die Himmel mit Sternengesunkel!
So wurde die Schöpfung in herrlicher Pracht
Durchs Wort des allmächtigen Mundes vollbracht.
Da hauchte der Schöpfer es in die Brust
Des sterblichen Sohnes der Erde,
Damit ihm, des Odems aus Gott bewußt,
Sein Leben ein göttliches werde!
Du Sprößling des Himmels, so bleibe denn auch
Im irdischen Munde ein göttlicher Hauch!
8- A. K r u in m <rcher.
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