Full text: Abriss der Geschichte des Grossherzogtums Hessen für höhere Lehranstalten

Hessen als selbständiges Territorium. 
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fehlte es auch später nicht an Streitigkeiten zwischen den beiden 
Landgrafen. 1469 schlossen sie eine Erbeinigung, zu deren Befestigung 
ein Austrägalgericht von 12 hessischen Rittern eingerichtet wurde. 
Bald darauf (1471) starb Ludwig II. 
Da der hessische Adel bei den fortwährenden Zwistigkeiten das 
Schiedsrichteramt zwischen Ludwig II. und Heinrich III. übernommen 
hatte und später während der Minderjährigkeit Philipps des Gross- 
mtitigen die vormundschaftliche Regierung an sich riss, erwarb er 
sich als zweiter der drei Landstände1) (über den ersten vergl. S. 16) 
Anteil an der Verwaltung des Landes.2) 
Heinrich III. war bereits in jugendlichem Alter mit Anna, der 15 
einzigen Tochter des Grafen Philipp von Katzenelnbogen verlobt 
worden. Im Jahre 1470 übergab ihm sein Schwiegervater amtsweise 
auf Widerruf die obere Grafschaft; vorher hatte er die Einwilligung 
*) Den dritten der Landstände bildeten die Prälaten, nämlich der 
Komtur der Deutschordens-Kommende Schiffenberg und der Landkomtur 
der Deutschordensballei Hessen in Marburg. Im Jahre 1498 werden sie 
zum erstenmal auf dem Landtage genannt. 
2) Die hessischen Landtage fanden bis in das XVI. Jahrhundert am 
Spiess, einem freien Felde in der Nähe von Treysa und Ziegenhain, statt. 
Auch nach der Teilung, die gemäss des Testamentes Philipps d. Grossm. 
1567 erfolgte, hatten die hessischen Gebiete bis 1628 einen gemeinsamen 
Landtag; dieser war nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden. Seit 1628 
gab es einen besonderen Landtag der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, der 
an verschiedenen Orten tagte (zum letztenmal 1803 in Darmstadt). Er 
setzte sich zusammen aus: 
a. Den Prälaten, d. h. dem Ordenskomtur von Schiffenberg sowie dem 
Kanzler und einem abgesandten Professor der Universität Giessen. 
b. Der Ritterschaft, zu der 28 Familien gehörten, z. B. die Nordeck 
zur Rabenau und die Riedesel zu Eisenbach und Altenburg. 
c. Den Städten: Darmstadt und Giessen, die je zwei Abgeordnete 
schickten, Alsfeld, Aliendorf an der Lumda, Battenberg, Biedenkopf, 
Braubach, Butzbach, Eppstein, Grünberg, Grossgerau, Grebenau, Gross¬ 
linden, Homberg an der Ohm, Hatzfeld, Königsberg, Lichtenberg, Nidda, 
Roinheim, Romrod, Rüsselsheim, Schotten, Staufenberg, Lissberg, Ulrich¬ 
stein, Umstadt, Zwingenberg mit je einem Abgeordneten. Die Prälaten 
und Ritter bildeten zusammen die erste, die Städte die zweite Kurie. Die 
Stände konnten nur dann zusammentreten, wenn der Regent einen Landtag aus¬ 
schrieb. Auf diesem übte der Senior der Familie von Riedesel das Ehren¬ 
amt eines Erbmarschalls aus, d. h. er leitete die Beratungen. Die Stände 
hatten das volle Steuerbewilligungsrecht; dieses benutzten sie, um auch 
auf die ihnen an sich nicht zustehende Gesetzgebung Einfluss zu ge¬ 
winnen ; ausserdem brachten sie Beschwerden und Wünsche vor. Durch 
Edikt vom 1. Oktober 1806 hob Grossherzog Ludwig I. die land ständische 
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