Full text: [Band 4 = 4. Klasse, [Schülerband]] (Band 4 = 4. Klasse, [Schülerband])

Line Erdbebenkatastrophe in Japan 
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Färbung und mit Sehnsucht erwarteten wir Passagiere einen 
Regenguß. In Pokohama angekommen, fand ich unter den Gästen 
des Grand Hotel dasselbe Anbehagen, das ich selbst empfand; 
das Tiffin (Gabelfrühstück) wurde kaum genossen und wir zogen 
uns gegen zwei Ahr nachmittags in unsere Zimmer zurück. Kaum 
hatte ich mich auf das Ruhebett geworfen, als plötzlich die Möbel 
rings um mich zu tanzen begannen; die Kommode fiel um, die 
Wände und der Fußboden krachten und schwankten wie auf be¬ 
wegter See. Ein furchtbares Poltern und Dröhnen ließ mich 
vermuten, es wäre irgend ein Pulvermagazin in die Luft ge¬ 
flogen; als ich aber, zum Fenster hinausblickend, die Kamine 
von den Hausdächern fallen und diese selbst einstürzen sah, da 
wußte ich sofort den wahren Grund dieser Erscheinung. Hatte 
ich doch schon ein heftiges Erdbeben in Venezuela durchgemacht. 
Mit einem Satze war ich zur Türe hinaus und eilte über die 
krachenden Treppen zwischen den heftig schwankenden Mauern 
hinab ins Freie an den Meeresstrand; Dachziegel, Mörtelstücke, 
Trümmer der Gesimse fielen rings um mich zum Boden. Das 
noch vor wenigen Minuten spiegelglatte Meer war wild auf¬ 
geregt und sandte hohe Brandungswellen den Strand empor; 
die schweren Dampfer und Kriegsschiffe draußen schaukelten heftig; 
eine ungeheure Rauch- und Staubwolke erhob sich über dem 
Weichbilde der Stadt und man konnte sich bei dem schwankenden 
Boden kaum aufrecht erhalten. Während solcher Katastrophen 
ist es schwer Beobachtungen zu machen; ich erinnere mich nur an 
das furchtbare unterirdische Dröhnen, an die einstürzenden Schorn¬ 
steine und Dächer, das Rasseln der Fenster und das Abstürzen 
großer Felstrümmer von den Klippen des nahen Bluff; ich weiß 
nur, daß rings um mich Damen ohnmächtig auf dem Boden 
lagen, daß die Einwohnerschaft der Häuser längs der ganzen 
Straße entsetzt aus ihren vier Mauern hinaus ins Freie stürzte, 
daß die Häuser ebenso schwankten wie die Schiffe draußen in 
der Bucht. 
Wie lange die schreckliche Katastrophe währte, wußten wir 
nicht; erst nachträglich erfuhren wir, daß die Erschütterungen vier¬ 
einhalb Minuten gedauert hatten. Endlich beruhigte sich der Bo¬ 
den, aber die wenigsten Menschen waren zu bewegen in ihre
	        
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