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Doktor Faustus
48. Wie ein berühmter Barfüßermönch Doktor
Fan st um bekehren wollte.
Das Gerücht von Dr. Fausto und seinen seltsamen Abenteuern
erscholl bald überall in Stadt und Land, daher viel Adlige und
junge Ritter von den benachbarten Fürsten- und Grafenhöfen
sich zu ihm gen Erfurt fanden und Bekanntschaft mit ihm machten,
damit sie etwas Wunderliches von ihm sehen oder hören möch¬
ten und davon heut oder morgen zu sagen wüßten. Und weil solch
Zulaufen so groß war, daß zu besorgen war, es möchte die gute
Jugend dadurch geärgert und etliche verführt werden, daß sie auch
zu dergleichen Schwarzkünstlern Lust bekämen, weil sie es nur
für Scherz und Geschwindigkeit hielten und nicht vermeinten, daß
der Seele Gefahr darauf stünde, so ward von etlichen Verständigen
ein berühmter Barfüßermönch, Doktor Klinge genannt, welcher
auch mit Doktor Luther und Doktor Lange wohl bekannt war,
angesprochen, zumal ihm Doktor Faustus auch bekannt war, er
sollte ihn ernstlich vornehmen und um solche Leichtfertigkeit stra¬
fen und versuchen, ob er ihn aus des Teufels Rachen erretten
möchte. Der Mönch nahm das auf sich, ging zu Fausto, redete
erst freundlich, darnach auch hart mit ihm, erklärte ihm Gottes
Zorn und Verdammnis, so auf solchem Wesen stünde und sagte:
er wäre doch ein fein gelehrter Mann, könnte sich sonst wohl mit
Gott und Ehren nähren, so sollte er sie doch mit solcher Leicht¬
fertigkeit, zu der er sich vielleicht in der Jugend durch den Teu¬
fel, der ein Lügner und Mörder sei, hatte bereden lassen, abtun
und Gott seine Sünde abbitten; so könnte er noch Vergebung
erlangen, weil Gottes Gnade niemals verschlossen usw. Doktor
Faustus hörte mit Fleiß zu, bis er ganz ausgeredet batte; da
sprach er: „Mein lieber Herr, ich erkenne, daß ihr's gern gut
mit mir sehen möchtet, weiß auch das alles wohl, was ihr mir
jetzt vorgesagt. Ich habe mich aber zu hoch verstiegen und mit
meinem eigenen Blute gegen den leidigen Teufel verschrieben,
daß ich mit Leib und Seele ewig sein sein wolle; wie kann ich denn
nun zurück oder wie mag mir geholfen werden?" Der Mönch
antwortete: „Das kann wohl geschehen, wenn ihr Gott um seine
Gnade und Barmherzigkeit fleißig anruft, wahre Reue und Buße
tut und eure Sünde Gott abbittet, gänzlich davon absteht, euch