218 Schillers „Lied von der Glocke" und Goethes „Hermann und Dorothea'
Die ihren Schöpfer wandelnd loben
405 Und führen das bekränzte Jahr.
Nur ewigen und ernsten Dingen
Sei ihr metallner Mund geweiht
Und stündlich mit den schnellen Schwingen
Berühr' i,m Fluge sie die Zeit.
Dem Schicksal leihe sie die Zunge;
S e l b st herzlos, ohne Mitgefühl,
Begleite sie mit ihrem Schwünge
Des Lebens wechselvolles Spiel.
. Und wie der Rlang im Dhr vergehet,
ns Der mächtig tönend ihr entschallt,
So lehre sie, daß nichts bestehet,
Daß alles Irdische verhallt.
10. Jetzo mit der Kraft des Stranges
wiegt die Glock' mir aus der Gruft,
420 Daß sie in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft!
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt!
Freude dieser Stabt bedeute.
425 Friede fei lhr ersi Geläute! Friedrich »o» Schmer.
77. Schillers „Lied von der Glocke" und Goethes
„Hermann und Dorothea".
i.
In den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts spendeten
Goethe und Schiller zwei unvergleichliche Schöpfungen über den¬
selben Gegenstand: „Hermann und Dorothea" und „Das Lied
von der Glocke", worin sie das deutsche Bürgerhaus mit seiner
Zucht und Ehrbarkeit, mit seiner schlichten Familien- und Gesell¬
schaftssitte, mit seinem stillen Glück und Seelenfrieden malten,
eine Welt unvergänglicher Herzenspoesie.
In dieser gärenden, streiterfüllten Zeit traten unsere Dichter
der Sintflut von Anarchie und Kriegsgetümmel entgegen, die von