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Mann und Weib
121. Mann und Weib.
1. Nach fernen Zielen hat der Mann zu schweifen,
Und wo des Lebens Sturm am stärksten braust,
Die Frucht des Glückes sich vom Baum zu streifen,
Mit festem Geist und mit entschloss'ner Faust.
Das Weib soll nicht hinaus ins Weite greifen,
Auch wenn ihr kaum vor dreistem Wagen graust;
Sie harre, bis ein treuer Arm den Segen,
Der sie beglückt, ihr will zu Füßen legen.
2. Doch nicht umsonst weissagt in ihren Sinnen
Ein feiner Geist den Wert von jeder Frucht,
In welcher labend laut're Säfte rinnen
Und welche tückisch wirkt des Lebens Flucht.
Mit ganzer Seele werfe sie von hinnen,
Was lachend rot sie zu verderben sucht.
Ist ihr verwehrt zu wetten und zu wagen,
Das eine wage sie, ein Nein zu sagen.
3. Denn wenn der Mann im Drucke fremder Pflichten
Sich selbst verliert, dem Ganzen sich zu weih'n,
So soll das Weib nie auf sich selbst verzichten,
Nie mit dem eig'nen Herzen sich entzwei'n.
Ihr Amt ist, diese Schattenwelt zu lichten
Mit lieblich ungebroch'nem Sonnenschein;
Vom Streit des Tags durch ihren Herd geschieden,
Ist sie den Ihren Freude, Trost und Frieden.
Paul Heyse.
122. tzausspruch.
Der Herr mus selber sein der Knecht,
Wil ers im Hause finden recht;
Die Frau mus selber sein die Magd,
Wil sie im Hause schaffen Raht.
Gesinde nimmermehr bedenkt,
Was Nutz und Schad im Hause brengt;
Es ist ihn nicht gelegen dran,
Weil sie es nicht für eigen han.