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42. Wilhelm Hertz (1835 — 1902)
geboren in Stuttgart, studierte in Tübingen romanische und germanische Philologie,
wendete sich 1858 nach München, wo er sich dem Dichterkreis von Geibel, Heyse,
Bodenstedt, Lingg u. a. anschloß, und ward 1869 Professor der Literaturgeschichte
am Polytechnikum daselbst. Er schrieb Gedichte, kleinere Epen, wie „Hugdietrichs
Brautfahrt“, und die vorzügliche Erneuerung von Gottfrieds „Tristan und Isolde“,
wie von Wolframs „Parzival“.
Aus „Albwin der Langobarde“.
Hoch auf dem Königsberge steht Albwin und sein Heer;
Die tiefen Täler grünen und ferne blaut das Meer.
Es steh'n die bärtigen Helden wundernd festgebannt
Und spähen aus den Helmen begierlich in das Land.
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Wie Murmeln fernen Donners tost, es durch die Reih'n,
Wolfshäute flattern stürmisch und Atte blitzen drein.
Hoch oben steht der König im goldnen Sonnenstrahl
Ünd schleudert seine Lanze hinab ins stille Tal.
„Italien, Heldenwirtin, schließ deine Kästen auf!
Es kommen aus den Bergen neue Gäste zu Hauf'
Sie hieben breite Straßen im unbetret'nen Tann,
Mit ihnen ziehen Adler, Lawinen stäuben voran.
Ostern ist im Lande, so rüste Kranz und Mai'n!
Hier kommt manch durst'ger Zecher für deinen süßen Wein;
Sie heischen, was da blühet, was reift auf Halm und Stamm;
Hier kommt für deine Töchter manch wilder Bräutigam.
Italien, Heldenwitwe, was senkst du stumm dein Haupt?
Hat nicht die narb'ge Stirne der Lenz dir neu umlaubt?
Das Schwert fraß deine Söhne und Pest und Hungertod
Ich bringe frische Männer und Männer sind dir not!
Dich drängen feige Räuber — ich bringe Schutz und Recht
Und deinen Ruhm verjünget ein königlich Geschlecht.
Mein bist du, Land der Sehnsucht! Weh dem, der dich begehrt
Weh dem, der deinen Namen auf meinem Schild nicht ehrt!“
Nun dröhnet im Gedränge gepreßter Waffen Klang,
Die Helden klimmen jauchzend hinab den Felsenhang:
Im alten Schloß von Berne, in König Dietrichs Saal
Hielt Albwin bald mit Prangen sein nächtig Siegesmahl.
Schluß zusammengezogen.)
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Münchener Lesebuch. VI. 4. Auflage.