Vorwort.
VII
Illustration der Dichter und ihrer Werke dürften auch die Dichtungen
bilden, in denen andere Dichter jene verherrlichen.
Im neunten bezw. neunten und zehnten Schuljahre ist eine Wochen¬
stunde der statarischen Lektiire größerer Einzelwerke zu widmen, und als
ziemlich allgemein geltender Kanon hat sich im Laufe der Zeit
nachstehender entwickelt. Erstes Jahr der Oberstufe: Hermann und
Dorothea, Wilhelnr Tell, die Jungfrau von Orleans und etwa noch
Maria Stuart. — Zweites Jahr: Wallensteins Tod, Minna von
Barnhelm, Iphigenie und etwa noch Antigone in Donners Über-
fetzung. — Wo der Kursus nur einjährig ist, wird er sich auf
Hermann und Dorothea, Wilhelm Tell, die Jungfrau von Orleans
und etwa Iphigenie zu beschränken haben. Wenn durch kursorisches
Lesen oder durch (natürlich zu kontrollierende) Privatlektüre noch ein
Mehr zu erreichen ist, — um so besser! Nathan der Weise und
Torquato Tasso, welche überhaupt nur noch in Frage kommen können,
sind schwierig und gehören eigentlich in die Selekta, bezw. das Seminar.
Zwei andere Wochenstunden entfallen dann an der Hand des vor¬
liegenden Litteraturbuches auf die Lektiire und Besprechung der übrigen,
für die Kenntnis der Schülerin notwendigen Dichter und Dichtungen.
Als Träger und Denkmäler der mittelhochdeutschen Litteratur stehen
natürlich das Nibelungenlied und Gudrun im Vordergründe,
und daß ich diesen beiden gewaltigen Volksepen einen Raum von
sechzig Seiten eingeräumt habe, wird gewiß allseitige Billigung fin¬
den. — Die neuhochdeutsche Litteratur beherrschen selbstverständlich
Goethe und Schiller, welche ich in ihrer Persönlichkeit und in
ihren Werken, soweit diese für die weibliche Bildung heranzuziehen
sind, auf einhundertundfünfzig Seiten nahezu erschöpfend behandelt
habe, wie ich denn iiberhaupt glaube, daß die neueren, hier in Betracht
konunenden Dichter, so viel sie nur Bildungsstosse für Geist und Herz
unserer Schülerinnen liefern, in möglichst umfassender Weise von mir
in den Dienst der höheren Mädchenschule gestellt worden sind.
Während in der mittelhochdeutschen Litteratur fast überall das
Interesse sich aus das Werk selbst konzentriert, da wir ja von den
Dichtern und ihren Lebensumständen vielfach nichts oder nur wenig
missen, so treten in der neueren und neuesten Dichtung überall die
Dichterpersönlichkeiten selbst hervor nach ihrem Lebenslaufe und ihren