Full text: Litteraturkunde (Fünfter Teil = 9. bezw. 9. und 10. Schuljahr, [Schülerband])

155 
Mich für die Schönste, so wirst du der Erste vor allen an Reichtum." 
Pallas versetzte: „Bedenke dich wohl und gieb mir den Apfel, 
Und du wirst der mächtigste Mann; es fürchten dich alle, 
Wird dein Name genannt, so Feind, als Freunde zusammen." 
Venus sprach: „Was soll die Gewalt? Was sollen die Schätze? 
Ist dein Vater nicht König Priamus? Deine Gebrüder, 
Hektor und andre, sind sie nicht reich und mächtig im Lande? 
Ist nicht Troja geschützt von seinem Heere? und habt ihr 
Nicht umher das Land bezwungen und fernere Völker? 
Wirst du die Schönste mich preisen und mir den Apfel erteilen. 
Sollst du des herrlichsten Schatzes auf dieser Erde dich freuen. 
Dieser Schatz ist ein treffliches Weib, die schönste von allen, 
Tugendsam, edel und weise; wer könnte würdig sie loben? 
Gieb mir den Apfel, du sollst des griechischen Königs Gemahlin, 
Helena mein' ich, die schöne, den Schatz der Schätze, besitzen." 
Und er gab ihr den Apfel und pries sie vor allen die Schönste. 
Aber sie hals ihm dagegen die schöne Königin rauben, 
Menelaus' Gemahlin, sie ward in Troja die seine. 
Diese Geschichte sah man erhaben im mittelsten Felde. 
Und es waren Schilder umher mit künstlichen Schriften; 
Jeder durfte nur lesen, und so verstand er die Fabel. 
Höret nun weiter vom Spiegel! daran die Stelle des Glases 
Ein Beryll vertrat von großer Klarheit und Schönheit; 
Alles zeigte sich drin, und wenn es meilenweit vorging, 
War es Tag oder Nacht. Und hatte jemand im Antlitz 
Einen Fehler, wie er auch war, ein Fleckchen im Auge: 
Durft' er sich nur im Spiegel besehn, so gingen von Stund' an 
Alle Mängel hinweg und alle fremden Gebrechen. 
Jst's ein Wunder, daß mich es verdrießt, den Spiegel zu missen? 
Und es war ein köstliches Holz zur Fassung der Tafel, 
Sethym heißt es, genommen, von festem, glänzendem Wüchse, 
Keine Würmer stechen es an, und wird auch, wie billig, 
Höher gehalten als Gold, nur Ebenholz kommt ihm am nächsten. 
Denn aus diesem verfertigt' einmal ein trefflicher Künstler 
Unter König Krompardes ein Pferd von seltnem Vermögen: 
Eine Stunde brauchte der Reiter und mehr nicht zu hundert 
Meilen. Ich könnte die Sache für jetzt nicht gründlich erzählen, 
Denn es fand sich kein ähnliches Roß, so lange die Welt steht. 
Anderthalb Fuß war rings die ganze Breite des Rahmens 
Um die Tafel herum, geziert mit künstlichem Schnitzwerk, 
Und mit goldenen Lettern stand unter jeglichem Bilde, 
Wie sich's gehört, die Bedeutung geschrieben. Ich will die Geschichten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.