fullscreen: Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit

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Schweizerbund. 
schönste Paar Ochsen wegzunehmen, und so er sich weigern würde, soll¬ 
ten die Diener ihm sagen: es sei des Landvogts Meinung, daß die 
Bauern ihren Pflug selbst ziehen sollten. Diese Worte erbitterten den 
jungen Melchthal; er gerieth in Streit mit den Dienern des Vogts 
und schlug einem derselben einen Finger entzwei. Da er voraussah, daß 
er jetzt im Lande nicht mehr sicher sei, so entfloh er; aber Beringer 
forderte von dem alten Vater, daß dieser den Sohn ihm zur Stelle 
schaffe, und als dies nicht geschah, ließ er dem alten Melchthal beide 
Augen ausstechen. Solcher Ungerechtigkeiten kamen noch viele vor und 
die Erbitterung gegen die Vögte wurde allgemein. Da besprach sich der 
jüngere Arnold Melchthal, der sich nach Uri geflüchtet hatte, mit 
Walter Fürst, der ein einsichtsvoller Mann war; es kam auch noch 
Werner Stauffacher aus Schwyz hinzu. Sie kamen überein, jeder 
wolle noch einige zuverlässige Männer zu Rathe ziehen, und dann wolle 
man gemeinschaftlich die tyrannischen Vögte aus dem Lande treiben. 
Im November des Jahres 1307 kamen jene drei Männer des Nachts 
auf einer Wiese am Vierwaldstädter See, die der Rütli genannt wird, 
zusammen und Jeder brachte noch zehn andere gleichgesinnte Männer 
mit. Hier schlossen sie einen Bund. Wir wollen die Vögte vertreiben, 
so hieß es; die Grafen von Habsburg, ihre Güter, ihre Rechte und 
ihre eigenen Leute wollen wir unangetastet lassen; die Vögte, ihre Knechte 
und ihre Söldner wollen wir aus dem Lande jagen, aber kein Tropfen 
Blut soll vergossen werden; die Freiheit, die wir, von unfern Vätern 
ererbt haben, wollen wir unfern Nachkommen bewahren." Darauf ga¬ 
ben sie sich die Hand; dann hoben alle ihre Hände zum Himmel em¬ 
por und bekräftigten dies Bündniß durch einen Eid. 
§ 106. Geßler kannte die Stimmung des Volkes; aber er beachtete 
sie nicht, sondern ging in seiner Tyrannei noch weiter. Auf dem Markte 
zu Altorf hatte er, noch vor dem Bunde auf dem Rütli, eine Stange 
errichten und darauf einen Hut stecken lassen und geboten: ein Jeder, 
der vorübergehe, solle sich vor dem Hute neigen und demselben gleiche 
Ehrfurcht bezeigen, als ob der König persönlich da wäre; wer dawider 
handle, der solle gestraft werden. Dann stellte er Hüter auf, die Acht 
hatten, ob Jemand seinem Gebote entgegen handle. Bald nachdem der 
Bund auf dem Rütli geschlossen war, kam Wilhelm Teil, einer von 
jenen drei und dreißig, nach Altorf. Er ging etliche Mal an dem Hute 
vorüber, ohne sich zu verneigen. Der Landvogt ließ ihn zu sich kom¬ 
men und stellte ihn zur Rede. „Lieber Herr," sagte Tell, „das ist von 
ohngefähr, und nicht aus Verachtung geschehen. Verzeiht mirs, ich 
bitte um Gnade; es soll nicht wieder Vorkommen." Geßler wußte, daß 
Tell feine, liebliche Kinder habe, und diese ließ er herbeiholen. „Tell,
	        
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