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Menschheit selbst. Zu einer solchen Annahme sind wir durch vieles be¬
rechtigt. Der Kunsttrieb wohnt einmal dem Menschen inne; welche
Äußerung desselben ist aber einfacher und näher gelegen und unmittel¬
barer als die durch die Sprache, deren er ohnedies fortwährend zur
Mitteilung bedarf? Dazu kommt noch eine Thatsache in Anschlag, daß
nämlich in ihrer Jugendzeit jede Sprache mehr Gesang als eigentliche
Sprache ist. Nun wissen wir aber auch, daß Dichten und Singen ur¬
sprünglich eins und unzertrennt waren. Da wird die Dichtkunst nur aus
jener Zeit herrühren, wo auch Sprechen und Singen eins war, aus der
allerältesten Zeit der Sprache, aus dem Jugendalter des Volkes, der
Menschheit. Als Gott den Menschen schuf und ihm den Kunsttrieb und
die Sprache aus die Welt mitgab, gab er ihm auch den Keim der Poesie
mit auf die Welt, der unausbleiblich bald aufgehen mußte.
Daß mithin das Alter der Poesie an das Alter der Welt hinauf¬
reiche, das haben auch die Griechen, die Orientalen und andere wohl er¬
kannt und mannigfach gesucht, in mythischer Form auszudrücken. Die
Griechen leiten sie unmittelbar von den Göttern her. Hermes war kaum
geboren, so übte er schon, er der Erste, Poesie und Musik; er bezog die
Schale einer Schildkröte mit Saiten und sang, indem er sie mit dem
Plektrum schlug, die Liebe des Zeus und der Maja, seine eigene Geburt,
die Nymphen der mütterlichen Grotte nebst dem Hausrat, wie das an¬
mutig dargestellt ist in dem homerischen Hymnus auf Hermes. Ebenso
bei den Finnen: die Erfindung der Harfe und mit ihr des Gesanges und
der Dichtkunst schreiben sie Wäinämöinen, dem lichten Gotte des Guten,
zu. -
Wie hier die ganze Poesie, so werden anderswo auch einzelne haupt¬
sächliche Formen derselben, werden Versformen, die bestimmte Dichtungs¬
arten bezeichnen und vertreten, auf Götter zurückgeführt oder doch ihr
Ursprung in jene entlegenen Zeiten versetzt, da die Götter noch auf
Erden wandelten. So soll der Hexameter von den Musen selbst erfunden
sein; als Apollo den pythischen Drachen erlegte, da riefen ihm die Musen
ermutigende Worte, dann ihren Beifall zu; von selbst ordnete und gliederte
sich ihr Ruf in rhythmischer Weise, und so sprachen und sangen sie die
ersten Hexameter. In ähnlicher Weise hat auch der Trimeter, die Vers¬
form der Komödie und des Dramas überhaupt, einen mythischen Ursprung:
denn er hat seinen Namen von der Jambe, einer Magd im königlichen
Palast zu Eleusis, welche die Demeter, da diese in Betrübnis um ihre
Tochter umherirrte, durch ihre lustigen Einfälle endlich wenigstens zum
Lächeln brachte.
Tiefsinniger sind einige morgenländische Sagen, welche gleichfalls das
hohe Alter und den göttlichen Ursprung der Poesie behaupten. Nach den
Arabern ist der erste Dichter Adam selbst gewesen; er sang aber das erste