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Boulevards entlang ging, ganz unberührt von dem lockenden Glanz und
den Versuchungen ringsum; wie er dann in dem heimatlichen Neckar¬
städtchen seinen behäbigen, wohlgeordneten Haushalt führte und sich nicht
zu gut dünkte, an den prosaischen Verfassungskämpfen Württembergs mit
Wort und That teilzunehmen. Und doch war es gerade diese gesunde
Natürlichkeit und bürgerliche Tüchtigkeit, was den schwäbischen Dichter
befähigte, die Schranken der Kunstformen weise einzuhalten und den
romantischen Idealen eine lebendige, dem Bewußtsein der Zeit entsprechende
Gestaltung zu geben. Ein denkender Künstler, blieb er doch völlig gleich¬
gültig gegen das litterarische Gezänk und die ästhetischen Lehrmeinungen der
Schule und harrte geduldig, bis die Zeit der Dichterwonne kam, die ihm
des Liedes Segen brachte. Dann wendete er die kritische Schärfe, welche
andre Poeten in den Litteraturzeitungen vergeudeten, unerbittlich gegen
seine eignen Werke; kein andrer deutscher Dichter hat mit so sprödem
Künstlerstolze alles Halbfertige und Halbgelungene im Pulte zurückbehalten.
Die Heldengestalten unserer alten Dichtung, des Waltherliedes und der
Nibelungen, erweckten zuerst seine poetische Kraft; an den Gedichten des
Altertums vermißte er den tiefen, die Phantasie in die Weite lockenden
Hintergrund; doch ein angeborener, streng geschulter Formensinn bewahrte
ihn vor der unklaren Überschwenglichkeit der mittelalterlichen Poesie. Zn
festen, sicheren Umrissen traten diesem Klassiker der Romantik seine Ge¬
stalten vor die Seele.
Während die älteren Romantiker meist durch den phantastischen Reiz
des Fremdartigen und Altertümlichen in die deutsche Vorzeit hinüber¬
gezogen wurden, suchte Uhland in der Vergangenheit das rein Mensch¬
liche, das zu jeder Zeit Lebendige und vor allem das Heimatliche, die
einfältige Kraft und Herzenswärme des unverbildeten germanischen Wesens;
das Forschen in den Sagen und Liedern unsers Altertums galt ihm als
„ein rechtes Einwandern in die tiefere Natur des deutschen Volkslebens".
Er fühlte, daß der Dichter, auch wenn er entlegne Stoffe behandelt, nur
solche Empfindungen aussprechen darf, die in der Seele der Lebenden
wiederklingen, und blieb sich des weiten Abstandes der Zeiten klar bewußt.
Niemals hat ihn die Freude an der Farbenpracht des Mittelalters dem
protestantischen und demokratischen Gedanken des neuen Jahrhunderts
entfremdet. Derselbe Dichter, der so rührend von den Gottesstreitern
der Kreuzzüge sang, pries auch den Baum von Wittenberg, der mit
Riesenästen, dem Strahle des Lichts entgegen, zum Klausendach hinaus¬
wuchs, und gesellte sich freudig zu den streitbaren Sängern des Befreiungs¬
krieges und beugte sich demütig vor der Heldengröße des neuerstandenen
Vaterlandes: „Nach solchen Opfern, heilig großen, was gälten diese
Lieder dir?" Mit kräftigem Spotte kehrte er der Aftermuse der romantisch
süßen Herrn, der Assonanzen- und Sonettenschmiede, den Rücken zu und