Full text: Litteraturkunde (Fünfter Teil = 9. bezw. 9. und 10. Schuljahr, [Schülerband])

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sich ganz der Poesie zu widmen. Nachdem er Italien bereist hatte, lebte er 
teils in München, teils in Heidelberg, vorübergehend auch in Thüringen. Die 
letzten zwanzig Jahre seines Lebens brachte er in idyllischer Ruhe auf seinem 
Landgute Seehalde-Mettnau bei Radolfszell am Bodensee oder in Karlsruhe 
zu. An seinem fünfzigsten Geburtstage, an welchem ihn die Teilnahme des 
ganzen deutschen Volks beglückte, wurde er vom Großherzoge von Baden in den 
Adelstand erhoben und starb, tief betrauert, am 9. April 1886 in Karlsruhe. 
— Er hat sich durch sein episches Gedicht Der Trompeter von Säk- 
kingen, in welches herrlich duftende, lyrische Blüten eingestreut sind, sowie 
durch seinen Roman Ekkehard, eine Geschichte aus dem zehnten Jahrhundert, 
schnell berühmt und beliebt gemacht. 
Lieder ans dem Trompeter von Säkkingen. 
1. 
Andern laß den Staub der Straße, 
Deinen Geist halt frisch und blank! 
Spiegel sei er, wie die Meerflut, 
Drin die Sonne niedersank. 
Einsam aus des Tages Lärnren 
Adler in die Höhen schweift; 
Storch und Kranich fliegt in 
Schwärmen, 
Doch ihr Flug die Erde streift. 
Einsam wandle deine Bahnen, 
Stilles Herz, und unverzagt! 
Viel erkennen, vieles ahnen 
Wirst du, was dir keiner sagt. 
2. 
Einsam wandle deine Bahnen, 
Stilles Herz, und unverzagt! 
Viel erkennen, vieles ahnen 
Wirst du, was dir keiner sagt. . 
Wo in stürmischem Gedränge 
Kleines Volk um Kleines schreit, 
Da erlauschest du Gesänge, 
Siehst die Welt du groß und weit. 
Blasse Menschen seh' ich wandeln, 
Und die Klag' tönt allerorten: 
„Schal ist unser Thun und Handeln, 
Siech und alt sind wir geworden." 
Wollt' euch nie bei eurem Forschen 
Die uralte Mär' erklingen 
Von dem Brunn, darin die morschen 
Knochen wundersam sich jüngen? 
Und der Brunn ist keine Dichtung, 
Fließt so nah' vor euern Thoren; 
Euch nur mangelt Weg und Richtung, 
Ihr nur habt die Spur verloren. 
Drauß' im Wald, im grünen, heitern, 
Wo die Menschenstimmen schweigen, 
Wo auf duft'gen Farrenkräutern 
Nächtlich schwebt der Elfenreigen: 
Dort, versteckt von Stein und Moose, 
Rauschet frisch und hell die Welle, 
Dort entströmt der Erde Schoße 
Ewig jung die Wunderquelle. 
Dort, umrauscht von Waldesfrieden, 
Mag der kranke Sinn gesunden, 
Und des Lenzes junge Blüten 
Sprossen über alten Wunden.
	        
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