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VI. Sagen.
gefesselt zurück in Kummer und Zorn; nichts schmerzte den Armen mehr
als der verlorene Ring. Als es ihm endlich gelang, sich von seinen
Banden zu befreien, setzte er sich an den Herd, aber nicht um zu
schmieden. Kein Hammerschlag erscholl mehr im Wolfstal, denn
Wielanden war seine Kunst verleidet; er hatte nur einen Gedanken:
„Nun trägt Badhilde meines trauten Weibes Ring. Das will ich
rächen!"
3.
Einige Zeit war seitdem vergangen. Da machte sich Wieland un¬
kenntlich, verließ seine Wohnung im Wolfstal und ging heimlich an
König Neidings Hof. Dort ward er von niemand erkannt, ging in
die Küche und gab sich für einen Koch aus. So blieb er dort und
half den anderen Köchen die Speisen bereiten. Nun hatte Badhilde,
die Königstochter, ein Messer, das von Zwergen geschmiedet war; wenn
man mit diesem Messer eine Speise zerschnitt, in der Gift oder sonst
ein Trug war, so gab es einen lauten Klang. Darum pflegte Bad¬
hilde es bei Tische zu gebrauchen.
Als dies Wieland erfuhr, entwendete er heimlich und mit List
das Messer und machte ein anderes, das jenem ganz und gar gleich
sah, und legte es dahin, wo er das echte weggenommen hatte. Darauf
bereitete er eine Speise, die vor der Königstochter stehen sollte, unb
tat einen Zauber hinein, dergestalt, daß, wenn sie davon aß, sie nicht
ohne Wieland meinte leben zu können. Wie nun dieses Gericht vor
Badhilden stand, da argwöhnte sie, daß irgend ein Trug darin sein
müsse. Deshalb schnitt sie mit den: Messer hinein, aber es klang
nicht. Das deuchte sie gar seltsam, denn sie zweifelte nicht, daß die
Speise vergiftet sei. Da sprach sie zu ihrem Vater: „Herr, mein
gutes Messer ist fort, und dieses hier ist nur ein nachgemachtes. In
diesem Gericht aber ist ein Trug verborgen." Als der König das
Messer sah, sagte er: „Das konnte kein andrer machen als Wieland,"
und ließ überall nach Wieland suchen. Da fanden sie ihn in der
Küche und führten ihn vor König Neiding.
Reiding ließ ihn ergreifen und befahl seinen Knechten, ihm die
Sehnen an den Füßen und Knieen zu zerschneiden. Und sie taten
also. Da sprach der König zu dem unglücklichen Manne: „Übles
habe ich dir zugefügt. Doch ich tat dies nicht ohne Grund; denn ich
wünsche, daß du dein lebelang in meiner Nähe bleibest und mir
alles schmiedest, was du vermagst, und ich will dir Gold und Silber
in Fülle geben und also sühnen, was ich dir zuleide tat." Darauf
hieß er die Knechte Wielanden in seine frühere Schmiede tragen.
Da lag nun der Arme in Jammer und Pein, gelähmt für sein
ganzes Leben, und ertrug die grausamen Schmerzen. Lange lag er