Full text: [Teil 4 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 4 = Quarta, [Schülerband])

68 
VI. Sagen. 
gefesselt zurück in Kummer und Zorn; nichts schmerzte den Armen mehr 
als der verlorene Ring. Als es ihm endlich gelang, sich von seinen 
Banden zu befreien, setzte er sich an den Herd, aber nicht um zu 
schmieden. Kein Hammerschlag erscholl mehr im Wolfstal, denn 
Wielanden war seine Kunst verleidet; er hatte nur einen Gedanken: 
„Nun trägt Badhilde meines trauten Weibes Ring. Das will ich 
rächen!" 
3. 
Einige Zeit war seitdem vergangen. Da machte sich Wieland un¬ 
kenntlich, verließ seine Wohnung im Wolfstal und ging heimlich an 
König Neidings Hof. Dort ward er von niemand erkannt, ging in 
die Küche und gab sich für einen Koch aus. So blieb er dort und 
half den anderen Köchen die Speisen bereiten. Nun hatte Badhilde, 
die Königstochter, ein Messer, das von Zwergen geschmiedet war; wenn 
man mit diesem Messer eine Speise zerschnitt, in der Gift oder sonst 
ein Trug war, so gab es einen lauten Klang. Darum pflegte Bad¬ 
hilde es bei Tische zu gebrauchen. 
Als dies Wieland erfuhr, entwendete er heimlich und mit List 
das Messer und machte ein anderes, das jenem ganz und gar gleich 
sah, und legte es dahin, wo er das echte weggenommen hatte. Darauf 
bereitete er eine Speise, die vor der Königstochter stehen sollte, unb 
tat einen Zauber hinein, dergestalt, daß, wenn sie davon aß, sie nicht 
ohne Wieland meinte leben zu können. Wie nun dieses Gericht vor 
Badhilden stand, da argwöhnte sie, daß irgend ein Trug darin sein 
müsse. Deshalb schnitt sie mit den: Messer hinein, aber es klang 
nicht. Das deuchte sie gar seltsam, denn sie zweifelte nicht, daß die 
Speise vergiftet sei. Da sprach sie zu ihrem Vater: „Herr, mein 
gutes Messer ist fort, und dieses hier ist nur ein nachgemachtes. In 
diesem Gericht aber ist ein Trug verborgen." Als der König das 
Messer sah, sagte er: „Das konnte kein andrer machen als Wieland," 
und ließ überall nach Wieland suchen. Da fanden sie ihn in der 
Küche und führten ihn vor König Neiding. 
Reiding ließ ihn ergreifen und befahl seinen Knechten, ihm die 
Sehnen an den Füßen und Knieen zu zerschneiden. Und sie taten 
also. Da sprach der König zu dem unglücklichen Manne: „Übles 
habe ich dir zugefügt. Doch ich tat dies nicht ohne Grund; denn ich 
wünsche, daß du dein lebelang in meiner Nähe bleibest und mir 
alles schmiedest, was du vermagst, und ich will dir Gold und Silber 
in Fülle geben und also sühnen, was ich dir zuleide tat." Darauf 
hieß er die Knechte Wielanden in seine frühere Schmiede tragen. 
Da lag nun der Arme in Jammer und Pein, gelähmt für sein 
ganzes Leben, und ertrug die grausamen Schmerzen. Lange lag er
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.