Full text: Für Klasse IV (7. Schuljahr) (Teil 6, [Schülerband])

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Huf einem Hpfelbaum saß ein dienender Bruder, pflückte die Hpsel 
und sammelte sie in Körbe. Wie sich die Herzogin zum schatten der 
Bäume wandte, wollte er herniedersteigen,' aber sie winkte ihm zu 
bleiben. Jetzt ertönte es wie Gesang zarter Knabenstimmen in des 
5 Gartens Niederung; die Zöglinge der innern Klosterschule kamen heran, 
der Herzogin ihre Huldigung zu bringen: blutjunge Bürschlein, trugen 
sie bereits die Kutte, und mancher hatte die Tonsur aufs elfjährige 
Haupt geschoren. Wie sie aber in Prozession daherzogen, die rotbackigen 
äbtlein der Zukunft, den Blick zur Erde niedergeschlagen, und wie sie so 
10 ernst und langsam ihre Weisen sangen, da flog ein leiser Spott über 
$rau hadwigs Hntlitz. Mit starkem Fuß stieß sie den nahestehenden 
Korb um, daß die ctpfel lustig unter den Zug der Schüler rollten und 
an ihren Kapuzen emporsprangen. Hber unbeirrt zogen sie des Weges; 
nur der kleinsten einer wollte sich bücken nach der verlockenden Frucht, 
i5 doch streng hielt ihn sein Nebenmännlein am Gürtel. Frau hadwig 
war gerührt. „Bind alle Türe Schüler so gut erzogen?" fragte sie. 
„So Ihr Luch überzeugen wollt," sprach der Hbt, „die großen in der 
äußern Schule wissen nicht minder, was Zucht und Gehorsam ist." Die 
Herzogin nickte. Da führte sie der Hbt zur äußern Klosterschule, wo 
so zumeist vornehmer Laien Söhne und die erzogen wurden, die sich welt¬ 
geistlichem Stand widmen wollten. 
Sie traten in die Klasse der ältesten ein. Huf der Lehrkanzel stand 
Natpert, der vielgelehrte, und unterwies seine Jugend im Verständnis 
eines griechischen Weisen. Geduckt saßen die Schüler über ihren 
25 pergamenten, kaum wandten sich die Häupter nach den Eingetretenen. 
Der Lehrmeister gedachte Ehre einzulegen. „Notker Labeo!" rief er. 
„Der wird brav," flüsterte der Hbt. Der Hufgerufne ließ seine klugen 
äuglein über den griechischen Text hingleiten und übersetzte diesen mit 
gewichtigem Ernst. Hber wie die Verdeutschung glücklich herausgeklaubt 
30 war, steckten etliche der Schüler die Köpfe zusammen und flüsterten und 
flüsterten lauter. Und die Bewegung in den Schulbänken wurde stärker; 
es summte und brummte wie ferne Sturmglocken, plötzlich stürmten 
die Zöglinge Natperts lärmend vor, sie stürmten auf die Herzogin ein 
und rissen sie von des Hbts und des Kämmerers Seite. „Gefangen! 
35 gefangen P schrie die holde Jugend und begann sich mit den Schulbänken 
zu verschanzen. „Gefangen! Wir haben die Herzogin in Schwaben 
gefangen! Was soll ihr Lösegeld sein?" 
Frau hadwig hatte sich schon in mancherlei Lebenslagen befunden. 
Daß sie als Gefangene unter Schulknaben fallen könne, war ihr noch
	        
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