3. Ostermorgen.
Die Lerche stieg am Ostermorgen
empor ins klarste Luftgebiet
und schmettert, hoch im Blau ver-
5 borgen,
ein freudig Uuferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
es tausend Stimmen nach im Feld:
Mach auf, das Ulte ist vergangen,
10 wach auf, du froh verjüngte Welt!
wacht auf und rauscht durchs Tal,
ihr Bronnen,
und lobt den Herrn mit frohem
Schall!
i5 Wacht auf im Frühlingsglanz der
Sonnen,
ihr grünen Halm' und Läuber all!
Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot,
ao ihr sollt es alle mitverkünden:
Die Lieb' ist stärker als der Tod.
wacht auf, ihr trügen Menschen¬
herzen,
die ihr im winterschlafe säumt,
in dumpfen Lüsten, dumpfen
Schmerzen
ein gottentfremdet Dasein träumt!
Die Uraft des Herrn weht durch die
Lande
wie Jugendhauch, o laßt sie ein!
Zerreißt wie Simson eure Bande,
und wie die Udler sollt ihr sein.
wacht auf, ihr Geister, deren
Sehnen
gebrochen an den Gräbern steht,
ihr trüben Uugen, die vor Tränen
ihr nicht des Frühlings Blüten seht,
ihr Grübler, die ihr fern verloren
traumwandelnd irrt aufwüsterBahn,
wacht auf, die Welt ist neugeboren,
hier ist ein Wunder,' nehmt es an !
Ihr sollt euch all des heiles freuen,
das über euch ergossen ward!
Ls ist ein inniges Erneuen
25 im Bild des Frühlings offenbart.
was dürr war, grünt im wehn der Lüfte,
Jung wird das Ulter fern und nah,
der Gdem Gottes sprengt die Grüfte —
wacht auf! der Ostertag ist da.
30 Lmanuel von Geibel.
4. Frühlingslieder.
t. Frühlingsahnung.
G sanfter, süßer hauch!
schon weckest du wieder
35 mir Frühlingslieder,'
bald blühen die Veilchen auch.