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wenn am Morgen der Tau auf den Fluren liegt, weilt der
Schmetterling noch schwerfällig an seinem nächtlichen Nuheorte; erst wenn
die Zonne den lähmenden Tau auftrocknete, entfaltet er seine schwingen
Zu einem neuen Leben des Genusses, von Blume zu Blume flatternd,
taucht er den langen Büffel tief in die Belche, um den Honig zu schlürfen, s
Der Uüssel rollt sich im gewöhnlichen Zustande spiralförmig auf, ver¬
längert sich aber während der emsigen Tätigkeit bei dem Zangen des
Honigs aus den Blumen.
Vas Weibchen des Zchmetterlings hat ein einfacheres Gewand als
das Männchen, welches stets in lebhafteren Farben prangt. Es legt seine 10
Tier an solche Grte, an denen die auskriechende Brut geeignete Nahrung
findet. Diese Vorsorge für die kommende Generation ist ein wunderbarer
Trieb, den die Natur dem kleinen Geschöpfe gegeben hat. wir nennen
diesen Trieb Instinkt, ohne ihn jedoch dadurch zu erklären.
Mit dem herannahenden Winter verschwinden die fröhlichen Gesellen 15
der Luft. Nur hier und da überwintert ein Zchmetterling, der sich an einen
Drt verirrte, der ihm ein Entkommen nicht gestattete. Das Tierchen liegt
dann erstarrt, bis die warmen Tage wieder erscheinen, um dann nach
kurzem aufflackern des Lebens zu sterben.
Julius Stinde. 20
123. Märkische Moorlandschaft.
Ts war an einem Zpätherbftnachmittage des Jahres 1807. Tin
einsamer Fußgänger durchschritt die letzten Uusläufer eines jener Kiefern¬
wälder, denen die Mark ihre Berühmtheit verdankt, von den Bäumen
kamen dichte Tropfenschauer, die der wind gelöst, und Zchwärme von 25
Krähen umkreisten mit unmelodischem Nuf ihre Wipfel. Bald hatte er
den Nusgang des Gehölzes erreicht, und es war nur noch ein halb ent¬
blätterter Llsenbusch, der die Aussicht über die weite Moorgegend verbarg.
Nus dem grau dunstenden Horizont schoß ein mattgelber Lichtstrahl
auf die Fläche. Sie schien zu leben, und es war doch kein lebendigem 30
Wesen da, soweit das Buge trug. Buch der wind bewegte nicht die
kahlen Gesträuche. Grau in grau umspannte Himmel und Erde. Und
doch hätte es einen Maler entzücken können, das weite Fernbild einer
ersterbenden Natur. Die scharf geschnittenen Torfgräben mit ihren geraden
Wasserlinien freilich nicht, sie verwunden das künstlerische Buge. Uber 35
diese Linien. Winkel liefen nur aus wie Nadien und Zacken, welche die
Kultur hineingeschnitten in die noch unbewältigte Masse. Das war sie
freilich hier nicht; die Väter der Väter hatten schon Torf gegraben, aber
das war lange her, und die Natur hatte wieder Besitz genommen von
ihrem Tigentume. Die scharf abgestochenen wände waren eingefallen, 40