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einen Marsch von 18 Stunden zurückzulegen. — (Ermuntert schaute alles
nach dem Riesenberge aus, aber vergebens, Ruch ich musterte den Hori¬
zont vor mir, konnte aber beim besten willen nichts entdecken. „Un¬
sinn !" erwiderte ich daher ungnädig und zog verdrossen weiter. Bald
5 darauf ertönte indes dieselbe Stimme: „Li, so seht doch den Kibo, wie er
aus den Wolken bricht!" Jetzt sagte auch ein Dschaggabursche, den ich
unterwegs angetroffen und auf seine Bitten hin als Zeltjungen angestellt
hatte, zu mir: „wirklich, Herr, dort ist der Kibo." Unwillkürlich schaute
ich auf, konnte aber vom Kibo, dem schneebedeckten hauptgipfel des
io Kilimandscharos, noch immer nichts wahrnehmen. Gewöhnt, die Konturen
eines so weit entfernten Gebirges am Horizonte zu suchen, kam ich gar
nicht darauf, den Blick zu dem stark bewölkten nördlichen Himmel zu
erheben. „Uber so sieh doch, Herr, dort oben über den Wolken!" rief der
Junge ganz aufgeregt, die Hand erhebend. — Nochmals folgte ich, wenn
i5 auch ungläubig, mit den Uugen dem Fingerzeige. — wahrhaftig, ganz
oben am Himmel tauchte wie ein fremdes Gebild aus dem Weltenraum
ein blitzendes Scheibensegment aus dem weißen Gewölk hervor. — Fast
erschrocken und sprachlos blieb ich stehen und starrte die seltsame Er¬
scheinung an, die um so merkwürdiger anmutete, als von dem ganzen
-0 übrigen Gebirgsstock ganz und gar nichts zu sehen war. Ulles war ver¬
hüllt bis auf den oberen Teil der schnee- und eisbedeckten Kibokuppe, und
auch diese war bald wieder hinter dem Dunstschleier verschwunden. So
hoch hatte ich mir den Berg wahrlich nicht vorgestellt. „Kilimandscharo!
Kilimandscharo!" jubelten die Träger überlaut und machten dabei solch
25 ein Getöse, daß sich die Nachzügler einer vor uns marschierenden Militär¬
karawane ganz erstaunt umsahen, um zu erfahren, was bei uns eigentlich
los sei. Sie selbst hatten keine Rhnung von dem wunderbaren Schauspiel,
das uns zuteil geworden war.
Rm selben Tage kam uns der Berg nicht mehr zu Gesicht. Früh
3o am folgenden Morgen jedoch, als wir von Nimbeni in der Richtung auf
Kahe marschierten und bei Sagalla auf einer Rnhöhe anlangten, sahen
wir den Kilimandscharo in seiner ganzen Mächtigkeit vor uns liegen.
Jetzt konnten wir nicht allein den Kibodom, sondern auch den zweiten
Gipfel, den Mawensi, sowie die übrige Bergmasse erschauen. Ls war ein
35 großartiger Rnblick, den wir von dieser Zeit an stets morgens und abends
genossen. Besonders herrlich nahm sich das Hochgebirge im Glanze des
vollmondlichtes aus, wie ich im Lager von Kahe zu beobachten Gelegen¬
heit hatte.
Ruf meine Frage nach dem Kilimandscharo und seinen Bewohnern,
40 den wadschagga, sagte mir der vorhin erwähnte Dschaggabursche, daß
seine Landsleute den Kibo den Mann, und die andere Bergspitze, Ma-