Full text: [Teil 4 = Tertia, [Schülerband]] (Teil 4 = Tertia, [Schülerband])

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geschaut hatte, und angstvoll rief sie: „Hettel, lieber Vater, dir rinnt 
das Blut zu Boden; o denket mir zuliebe beiderseits auf Frieden; gönnt 
euren Gliedern eine kurze Waffenruhe; inzwischen mag König Herwig 
uns von seinen Ahnen künden." Als das der Held von Seeland hörte, 
ließ er sein wuchtiges Schwert sinken; indem er aber zur schönen Jungfrau 
emporsah, rief er: „Friede kann zwischen uns nicht sein, es sei denn, daß 
Ihr mich ungewaffnet in die Burg einlasset; soll dieser Friede gelten, so 
mögt Ihr mich fragen, was Ihr immer wollt." Freudig sagte Hettel 
zu; der Kampf ward geschieden, und die Helden wuschen sich am Brunnen 
des Hofes unter der alten Linde die entwaffneten Glieder vom Schweiß 
und Staub des heißen Straußes. Dann trat Herwig, von König Hettel 
geleitet, in die Burg, und er ward vor Hilde und Gudrun geführt. 
Mit edler und feiner Sitte verneigte er sich vor den Frauen, dann 
sprach er zu Hilden gewandt: „Man hat mir gesagt, hohe Königin, daß 
du mich um geringerer Ahnen willen verschmäht hast; verlangst du 
bessere Probe, als daß ich deinen Gemahl im Kampfe bestanden habe?" 
Ihm erwiderte die stolze Hilde: „Wer dich, o König Herwig, ver¬ 
schmähte, wäre übermenschlich gesinnt; du hast dich als echten Helden 
gezeigt." Da erbat der Recke sich die Gunst, um Gudrun werben zu 
dürfen, und willig gewährten ihm die Eltern die Bitte. Er trat vor 
Gudrun und sprach: „Willst du mich lieben, schöne Magd*), und mir 
eigen sein, so will ich mit allen Sinnen dir dienen, und über mein 
Land und meine Leute sollst du als Königin gebieten." Und leise, aber 
fest erwiderte sie: „Ich will es gern gestehen, ich bin dir hold. Du 
hast so um mich geworben, daß ich den Haß zwischen dir und meinem 
Geschlecht versöhnen will. Nimm mich hin, ich will dir Freude be¬ 
reiten." Da verlobten Hettel und Hilde ihr schönes Kind dem starken 
Helden von Seeland. 
Als Siegfried von Moorland von der Verlobung Gudruns hörte, 
siel er sengend und brennend in Herwigs Land ein, und Hettel, an 
dessen Hose eben die aus heißem Kampfe entsprungene Verschwägerung 
durch ein glänzendes Fest gefeiert worden war, zog samt seinen Gästen 
dem Eidam zu Hilfe. 
b) Die Schlacht auf dem Wülpensande. 
Während das Land der Hegelingen von Helden entblößt war, 
kamen Hartmut und König Ludwig von Normannenland mit Schiffs¬ 
macht angefahren, brachen die Friesenburg und führten Gudrun mit 
hundertsechzig Jungfrauen hinweg. Als Hildes Boten Hettel und Herwig 
diese trübe Mär meldeten, schloffen diese auf des alten Wate Rat sogleich 
') D. i. Jungfrau.
	        
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