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wenn sie auch noch so gewissenhaft gearbeitet hatte. Aber ohne Murren
that sie alles, was man sie thun hieß: ungerechten Tadel ertrug sie
ohne Widerrede. Der alte König Ludwig ging, wenn er sie traf, in
grollendem Schweigen an ihr vorüber, aber auch sie hielt sich seinen
Wegen fern. Ihr einziger Trost war es, wenn Ortrun sie einmal von
weitem freundlich grüßte, oder wenn sie mit der treuen Hildeburg ein
trauliches Wort tauschen konnte.
So waren abermals drei Jahre den Heimatlosen in stiller Trauer
und Sehnsucht vergangen: da kehrte Hartmut wiederum von seinen
Heerfahrten zurück und er sah, daß der harte Dienst Gudruns noch immer
fortdauerte. Da erkannte er, daß seine Mutter einen Haß geworfen
hatte auf die Maid, die er liebte, und er beriet sich mit seinen Freun¬
den, was er beginnen solle.
Nach seiner Freunde Rat nun ging er zu Gudrun, um sie durch
Bitte oder Drohung zu gewinnen. Sie bei der Hand fassend, sprach
er: ,>Edle Magd, werde mein Weib, dann sollen dir als Königin meine
Helden dienen." Ihm erwiderte Gudrun, indem sie zurücktrat: „Wie
könnt' ich solches denken? Deine Mutter, die schlimme Gerlinde, hat
mich so gepeinigt, daß ich ihr fremd bin wie dem ganzen Haus." Drauf
sagte Hartmut: „Was dir meine Mutter zu leid gethan, ich bin nicht
schuld daran; wie's dir und mir geziemet, will ich dir versüßen und
vergüten alles Leid." Da sprach die edle Magd: „Wie könnt' ich dem
vertrauen, der mit kühner List mich Arme in meiner Heimat fing und
mich entführte? Und noch ein anderes weißt du: Ludwig, dein Vater,
schlug den meinen — wahrlich, wär' ich ein Mann, er dürfte nimmer
ohne Waffen vor meine Augen kommen — und du fragst, ob ich dir
Ehgemahlin heißen will?" Ihr sagte Hartmut, und sein Auge blitzte:
„Du weißt es, Gudrun, wenn ich mich vermähle, sind mein die Burgen
hier und alles Land; wer wollte mich drum schelten, wenn ich gleich dich
mit Gewalt zu meinem Weibe machte?" Aufflammte Gudrun, und sie
schien zu wachsen, als sie mit hoheitsvoller Miene sprach: „Die Sorge,
wahrlich, focht mich nimmer an, daß man die Enkelin des Königs Hagen
die Geliebte Hartmuts nennte! Eine Frau darf keiner nehmen als mit
ihrem Willen: so hat bisher die Sitte stets gegolten."
Da wich Hartmut beschämt von ihr und wagte lange nicht ihr
wieder ins Auge zu sehen. Aber bei seiner Mutter drang er darauf,
daß Gudrun königlich gehalten und daß es seiner Schwester Ortrun
gestattet würde, ihr wieder zu nahen. Seine Schwester aber bat er, mit
Güte den festen Willen Gudruns zu überwinden. Als Ortrun einst
wieder in sie drang, daß sie sich ihrem Bruder vermählen möchte, wich
Gudrun zurück und sprach: „Daß du mich gern als Königin gekrönt
hier sähest an der Seite deines Bruders, das dank' ich dir in Treuen:
ich versteh' die holde Güte deines Herzens wohl. Doch allzu groß ist