Object: Erzählungen aus der griechischen Geschichte (Theil 1)

98 
Gott geantwortet haben, daß das Volk, dessen König von feind¬ 
licher Hand falle, Sieger sein würde. Dieser Orakelspruch ward 
nicht nur im Athenischen, sondern auch im Dorischen Lager be¬ 
kannt. Die Dorier erließen daher ein Verbot, den Kodros im 
Kampfe zu verletzen, und hüteten sich vor einer Schlacht. Kodros 
aber legte die Zeichen seiner königlichen Würde ab, verkleidete 
sich als Landmann und ging mit einem Bündel Holz auf dem 
Rücken und einer Axt in der Hand in das feindliche Lager. Hier 
sing er absichtlich mit einem Dorier Streit an, verwundete ihn 
mit seiner Art und ward von dem Dorier, der sein Schwert 
zog, getödtet. Bald aber erkannten die Dorier den Leichnam 
des Königs und zogen sich aus Scheu vor dem Orakelspruche 
ohne Treffen zurück. So wurde Attika durch den Muth seines 
edlen Königs, der sein Leben freiwillig zur Rettung seines Vater¬ 
landes opferte, vom Kriege befreit. 
Nach dem Tode des heldenmüthigen Kodros hielten die 
Athener Niemanden für würdig, sein Nachfolger in der Herr¬ 
schaft zu werden, und beschlossen daher, die königliche Würde 
nicht wieder hcrzustellen. An die Stelle der Könige traten die 
Archonten, die ihr Amt lebenslänglich verwalteten, dem Volke 
aber Rechenschaft ablegen mußten. Medon. der Sohn des 
Kodros, wurde der erste Archont. Als nacheinander dreizehn 
Archonten aus dem Geschlechte des Kodros dieses Amt bekleidet 
hatten, wurden seit dem Jahre 752 v. Chr. die Archonten nur 
auf zehn Jahre, und seit 681 v. Chr. neun Archonten zugleich 
gewählt, die ihr Amt nur ein Jahr verwalteten. 
XI. 
Solon, der Gesetzgeber der Athener. 
(594 v. Chr.) 
Solon stammte aus dem Geschlechte des Kodros und war 
in seiner Jugend ein Kaufmann. Er soll diesen Beruf gewählt 
haben, um sein Vermögen, das er durch Wohlthätigkeit geschwächt 
hatte, wieder zu mehren; wahrscheinlicher ist jedoch, daß er aus 
Wißbegierdc weite Reisen unternahm, um sich die Kunde fremder 
Länder und Völker zu verschaffen. Daß er rastlos nach Ver¬ 
mehrung seiner Kenntnisse und Erweiterung seines Wissens ge¬ 
strebt habe, geht schon aus seinen Worten:
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.