Friedrich von Schiller.
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Teuerste waren. Jede öffentliche Erscheinung Egmonts war ein Triumphzug;
jedes Auge, das auf ihn geheftet war, erzählte sein Leben; ihren Kindern
hatten ihn die Mütter bei ritterlichen Spielen gezeigt. Höflichkeit, edler
Anstand und Leutseligkeit, die liebenswürdigen Tugenden der Ritterschaft,
schmückten mit Grazie sein Verdienst. Auf einer freien Stirn erschien seine
freie Seele; seine Offenherzigkeit verwaltete seine Geheimnisse nicht besser
als seine Wohltätigkeit seine Güter, und ein Gedanke gehörte allen, sobald
er sein war. Sanft und menschlich war seine Religion, aber wenig geläutert,
weil sie von seinem Herzen und nicht von seinem Verstände ihr Licht empfing.
Egmont besaß mehr Gewissen als Grundsätze; sein Kopf hatte sich sein
Gesetzbuch nicht selbst gegeben, sondern nur eingelernt; darum konnte der
bloße Name einer Handlung ihm die Handlung verbieten. Seine Menschen
waren böse oder gut und hatten nichts Böses oder Gutes; in seiner Sitten¬
lehre fand zwischen Laster und Tugend keine Vermittlung statt; darum
entschied bei ihm oft eine einzige gute Seite für den Mann. Egmont ver¬
einigte alle Vorzüge, die den Helden bilden; er war ein besserer Soldat
als Oranien, aber als Staatsmann tief unter ihm; dieser sah die Welt, wie
sie wirklich war, Egmont in dem magischen Spiegel einer verschönernden
Phantasie. Menschen, die das Glück mit einem Lohn überraschte, zu welchem
sie keinen natürlichen Grund in ihren Handlungen finden, werden sehr leicht
versucht, den notwendigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung
überhaupt zu verlernen und in die natürliche Folge der Dinge jene höhere
Wunderkraft einzuschalten, der sie endlich tolldreist, wie Cäsar seinem Glücke,
vertrauen. Von diesen Menschen war Egmont. Trunken von Verdiensten,
welche die Dankbarkeit gegen ihn übertrieben hatte, taumelte er in diesem
süßen Bewußtsein wie in einer lieblichen Traumwelt dahin. Er fürchtete
nichts, weil er dem unsichern Pfande vertraute, das ihm das Schicksal in der
allgemeinen Liebe gegeben, und glaubte an Gerechtigkeit, weil er glücklich
war. Selbst die schrecklichste Erfahrung des spanischen Meineids konnte nachher
diese Zuversicht nicht aus seiner Seele vertilgen, und auf dem Blutgerüste
selbst war Hoffnung sein letztes Gefühl. Eine zärtliche Furcht für seine
Familie hielt seinen patriotischen Mut an kleinern Pflichten gefangen. Weil
er für Eigentum und Leben zu zittern hatte, konnte er für die Republik nicht
viel wagen. Wilhelm von Oranien brach mit dem Thron, weil die willkürliche
Gewalt seinen Stolz empörte; Egmont war eitel, darum legte er einen Wert
auf Monarchengnade. Jener war ein Bürger der Welt; Egmont ist nie
mehr als ein Fläminger gewesen.
18. Aus dem Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe.
fSiehe Goethe, Nr. 24. Seite 189.]