Full text: Handbuch der deutschen Literatur (Teil 8 der Ausgabe A, Teil 5 d. Ausgabe B, [Schülerband])

Börries von Münchhausen. 
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Da hör' ich über mir wie Regentropfen 
in heißem Hetzen harte Hufe klopfen 
und hör' die Eisen leise klingen 
und hör' der Peitschen Sausen und Singen 
und hör' das süßeste aller Lieder, 
das Lederknirschen der Sättel, wieder! 
Und wenn da droben das Feld hinschießt, 
tief im Grab eine welke Hand sich schließt, 
eine Zügelhand, die nicht vergessen kann, 
und ein Reiterherz weint zur Sonne hinan: 
das höchste Glück der Erde 
lag auf dem Rücken der Pferde!" — 
Im Saale wird es dunkler. Eine Stimme, 
— ach, eine liebe alte Stimme — sagt: 
„Dreifach hat Gott der Frau das Glück geschenkt, 
drei Kinderstuben sieht sie sacht sich füllen, 
draus ein Geschlecht den Schritt ins Leben lenkt. 
Und dreimal hilft er unsre Tränen stillen, 
wenn die Geschwister, wenn die Kinder dann 
und dann die Enkel ihren Weg erfüllen. 
Drei Kinderstuben wieder leer — was dann? 
Soweit bin ich, und näher wohl als ihr 
steh' ich der großen Frage: Wo und Wann? 
So möcht' ich denn, ich könnt' von meinem Grab 
hierher ins Schloß, ins Kinderzimmer sehen! 
Ich seh' im sonnigen Raume auf und ab 
unsres Geschlechtes junge Mütter gehen, 
ich seh' sie fromm den Erstgebornen stillen, 
die Kinderstube seh' ich sacht sich füllen, 
und immer wieder kommt das große Glück 
für meine toten Augen mild zurück. 
Die runden Stirnchen und die seidnen Haare, 
das süße Ungeschick der ersten Jahre, 
der kurzen Händchen unbeholfnes Greifen 
nach Vaters Augen und nach Mutters Schleifen. 
Und dann versucht der kleine Kerl zu gehen 
und redet klug — und niemand kanns verstehen, 
die Spiele dann, und dann, ach, wird er groß 
und sitzt nicht mehr auf seiner Mutter Schoß 
und braucht nicht mehr die tausend Zärtlichkeiten, 
die Mutterhände selig um ihn breiten. 
Und immer schneller wandelt Jahr um Jahr 
und nimmt der Mutter, was ihr Liebstes war, 
denn ihres Kindes liebste Jahre sind 
doch jeder Mutter die, da es noch Kind! 
Und diese Jahre möcht ich wieder sehen, 
solang noch unsres Schlosses Mauern stehen!" —
	        
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