120
da an verfiel der polnische Staat, immer trostloser wurden die
Zustände.
Nicht gleich war die Haltung der Deutschen in Westpreußen gegen¬
über bekehrenden Jesuiten und slawischer Tyrannei. Ein großer
Teil des eingewanderten deutschen Adels wurde katholisch und pol¬
nisch, die Bürger und Bauern blieben in der Mehrzahl hart¬
näckig Protestanten. Zu dem Gegensatz der Sprache kam jetzt auch
der Gegensatz der Konfessionen, zu dem Stammhaß die Glaubens¬
wut. Gerade in dem Jahrhundert der Aufklärung wurde in diesen
Landschaften die Verfolgung der Deutschen fanatisch, eine protestan¬
tische Kirche nach der andern wurde eingezogen, niedergerissen,
die hölzernen angezündet; war eine Kirche verbrannt, so hatten die
Dörfer das Glockenrecht verloren, deutsche Prediger und Schullehrer
wurden verjagt und schändlich mißhandelt. Es gab kein Recht, es
gab keinen Schutz mehr. Die nationale Partei des polnischen Adels
verfolgte im Bundes mit den Pfaffen am leidenschaftlichsten die,
welche sie als Deutsche und Protestanten haßte. Zu den Patrioten
oder Konföderierten lief alles raublustige Gesindel; sie warben Haufen,
zogen plündernd im Lande umher, überfielen kleinere Städte und
deutsche Dörfer, nicht nur aus Glaubenseifer, noch mehr aus Habsucht.
So sah es in dem Lande kurz vor der preußischen Besitznahme
aus. Zwar Danzig, den Polen unentbehrlich, erhielt sich in den Jahr¬
zehnten der Auflösung und nach der preußischen Okkupation des Weichsel¬
landes in vornehmer Abgeschlossenheit; es blieb ein Freistaat unter
slavischem Schutz, lange dem großen König ärgerlich und wenig ge¬
neigt. Auch Thorn mußte noch zwanzig Jahre als polnische Grenz¬
stadt von den übrigen deutschen Kolonien getrennt in Bedrängnis
ausharren; aber dem flachen Lande und den meisten deutschen Städten
war die energische Hilfe des Königs Rettung vom Untergange. Die
preußischen Beamten, welche in das Land geschickt wurden, waren
erstaunt über die Trostlosigkeit der unerhörten Verhältnisse, welche
wenige Tagereisen von ihrer Hauptstadt bestanden. Nur einige größere
Städte, in denen das deutsche Leben durch feste Mauern und den alten
Marktverkehr unterhalten wurde, und geschützte Landstriche, welche
ausschließlich von Deutschen bewohnt wurden, wie die Niederung bei
Danzig, die Dörfer unter der milden Herrschaft der Zisterzienser von
Oliva und die wohlhabenden deutschen Ortschaften des katholischen