im letzten Jahrhundert sich zu einer so ungeahnten Blüte entfaltet hat,
ist die lachende Erbin Zurzachs, und ihm bringen die Eisenbahnen jetzt,
was Zurzach nur noch im Traum auf den verödeten Wasserstraßen des
Rheins und der Aare an Kaufmannsgütern schwimmen sieht.
Uns tragen die Wellen an der Kadelburg vorüber nach Koblenz,
nicht nach dem schönen, lachenden Coblenz an der Mosel, sondern dem
„ kleinen, etwas zerfallenen Städtchen an der Aare, das einst einen
berühmten Schifferstand besessen hat, aber heute wie Zurzach vergangenes
Glück betrauert.
Gerade unterhalb Koblenz mündet der Rhein in die Aare — nein,
die Aare in den Rhein. Der Eindruck und der Sprachgebrauch geraten
hier in Widerspruch miteinander, denn der Rhein ist ein Waisenknabe
gegen die gewaltige Aare, und nur das wundervolle klare Blaugrün
seiner Wasser, die, wenn ich so sagen darf, einen edleren, vornehmeren
Anblick als die halb trüben der Aare gewähren, erklären das Erstlings¬
recht, das ihm die Völker gegeben haben.
Auf dem zur doppelten Breite angewachsenen Rhein trägt uns das
Boot in wenigen Augenblicken zum Städtchen Waldshut, das die Ein¬
samkeit des deutschen Rheinufers allerliebst unterbricht.
Hier tritt nun auch die badische Bahn, die von Konstanz nach
Basel führt, an den Strom; doch nur selten stört der ferne Pfiff einer
Lokomotive die beiderseitige Ufereinsamkeit, den tiefen Stromfrieden,
durch den wir, ohne eine größere Uferortschaft zu berühren, anderthalb
Stunden lang fahren. In wirren Zungen singen die Wellen zwischen
den Wäldern die Lieder, die sie aus dem Hochland mitgebracht haben.
Das klingt und summt, das tönt und dröhnt in dieser Abgeschiedenheit
wie von Bergheimweh, wie von Niederlandssehnsucht, alles ist Wander¬
lust. Kühl und -erfrischend steigt der Wasserodem empor, und selbst am
heißesten Sommertag bleibt die Luft weich und wohlig zu atmen.
Wassergevögel belebt den Strom; aus den Wäldern schwirrt der
schillernde Eisvogel; der Weih kreist über der Flut und holt sich den
Fisch; vor dem Boot flattern die Wildenten auf und stiegen, eine Zick¬
zackreihe bildend, mit Geschrei über den Strom. Da und dort, bald auf
dem schweizerischen, bald auf dem deutschen Ufer träumt ein Gehöft oder
Dörfchen, und in seiner Nähe zieht ein Fischer seine Reusen, oder
spielende Knaben fahren auf den Strom. Merkwürdig, was ihnen alles
als Schiff dienen muß, ein bloßes Brett, ein schmaler Balken, auf dem
sie kaum stehen können, und als Ruder ein Stecken oder ein Tannast!
Der nächste größere Ort, den wir erreichen, ist das Städtchen
Laufenburg im Kanton Aargau. Da müssen alle Fahrzeuge aus dem
Strom gehoben werden, denn gleich unterhalb des Städtchens ist der
Laufen, eine schreckliche Stromschnelle, durch die kein Schiffer zu fahren
wagt. Einer, erzählt die Sage, sei schlafend glücklich durch die Felsen