Full text: [Sechster Teil = [Klasse 4], [Schülerband]] (Sechster Teil = [Klasse 4], [Schülerband])

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an derselben Stelle, wo wir schon am 18. April und 6. August gewesen 
waren. Als wir die Schneegrenze erreicht hatten, solgten wir den alten 
Spuren, die eine Sicherheit gegen Unglücksfälle gewährten. Der Weg 
war deutlich zu sehen. 
Da die Schneedecke anfangs dünn war, waren unsere Spuren in 
große runde Löcher ausgelaufen, auf deren Boden der Verwitterungs¬ 
schutt offen dalag. Weiter oben war jede Spur mit blaugrünem Eise 
ausgefüllt und ganz oben mit einer Schneehaut, so dünn wie Papier, 
überzogen. An einigen Stellen war der Weg vom Treibschnee zugeweht, 
doch nie so sehr, daß man ihn nicht hätte sehen können. Zehn Tage 
lang war also kein Schnee gefallen. 
Mit Islam Bai und einem Kirgisen erreichte ich den Punkt, wo 
wir am 6. August halt gemacht hatten. Die übrigen kamen uns lang¬ 
sam nach. Nachdem wir alle versammelt waren, hielten wir Rat und 
beschlossen, die Nacht an dieser Stelle zuzubringen, wo sich einige kleine 
Steininseln aus dem Schneemeere erhoben. Die zehn Jaks wurden an 
lose Schieferblöcke gebunden, und in dem scharfen Schutte, der überall 
mehr oder weniger mit Schnee bedeckt war, schaufelten die Kirgisen 
einen runden Fleck aus, wo die Jurte aufgeschlagen wurde. Diese 
war sehr klein, so daß nur drei Schlafplätze vorhanden waren. Obgleich 
wir den Grund mit den Spaten nach Möglichkeit zu ebnen versuchten, 
stand die Jurte dennoch auf etwas abschüssigem Boden und mußte des¬ 
halb mit starken Stricken von Kamelhaaren an zwei Schieserblöcken fest¬ 
gemacht werden. 
Anfänglich befanden sich alle wohl. Wir zündeten ein großes 
Feuer von Iakdung an, das gut wärmte und unsere steifen Glieder 
wieder geschmeidig machte, aber die Jurte mit erstickendem Rauch an¬ 
füllte, der uns in den Augen biß und nur langsam einen Weg zum 
geöffneten Eingänge hinaus fand. Der Schnee schmolz im Zelte, aber 
als das Feuer zu erlöschen begann, verwandelte sich alles wieder in 
festes Eis. 
Die Kirgisen singen allmählich an, über Kopfweh zu klagen, und 
zwei von ihnen waren so übel daran, daß sie baten, umkehren zu dürfen, 
was ihnen um so lieber gestattet wurde, als sie zu weiteren Strapazen 
augenscheinlich untauglich waren. Von weiteren Anzeichen seien genannt: 
beständiges Ohrensausen, leichte Taubheit, rascherer Puls und niedrigere 
Körperwärme als unter regelmäßigen Verhältnissen, vollständige Schlaf¬ 
losigkeit, wahrscheinlich zumeist infolge der Kopfschmerzen, die gegen 
Morgen unerträglich wurden, und dann und wann kleine Anfälle von 
Atemnot. 
Die Kirgisen stöhnten unausgesetzt die ganze Nacht hindurch. Die 
Pelze fühlten sich schwer und drückend an, die liegende Stellung er¬ 
schwerte das Atmen, und man fühlte deutlich die heftig klopfenden Herz-
	        
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