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schloß das Tor eines Gewölbes auf; dort zündete er ein Kerzen¬
licht an und führte uns hinab über eine finstere Treppe. — Wäre
denn der Kaiser Joseph heut im Klosterkeller? Das tät mich doch
265 wundern.
28. Ich hielt mich stets nahe an meinen bekannten Herrn.
Nun schritten wir langsam zwischen großen steinernen und erzenen
Blöcken und Kästen hin. Vor einem solchen — er sah aus wie
eine riesige Totentruhe — blieben wir stehen. Der Herr nahm
270 mir still den Hut vom Kopf, dann legte er seine Hand auf das
Erz und sagte: „Hier, mein Junge, in diesem Sarge ruht unser
Kaiser Joseph."
Gestorben schon vor mehreren sechzig Jahren.
29. So habe ich ihn gesucht, den großen Kaiser, den wir nimmer
275 vergessen können, den das Volk so lieb hat noch heute. So war
ich in der Einfalt des Kindes, in der Beharrlichkeit einer heiligen
Verehrung ans Ziel gelangt, war hinabgestiegen in sein Grab.
Kein Wort konnte ich aussprechen, mich schauerte tief. Ich
habe kaum einen Blick mehr getan auf den kaiserlichen Sarkophag,
280 der von dem Flämmlein des geistlichen Bruders matt beleuchtet
war, keinen Blick auf die anderen Särge — davon taumelte ich
die Stiege hinauf, und in einem Winkel der Kirche bin ich aus¬
gebrochen in ein bitteres Schluchzen.
Der Herr aus der Burg legte mir die Hand auf die Achsel,
285 aber er sagte kein einziges Wort.
30. Später hat er mich gefragt, ob ich nicht wünsche. Seiner
Majestät dem jetzigen Kaiser vorgestellt zu werden? Das tät ich
mich nicht getrauen, meinte ich; mit dem neuen Kaiser wäre ich
halt doch zu wenig bekannt.
290 „So lebe wohl, du kleiner Steirer, sagte mein Begleiter, und
wenn du groß bist, so komm wieder als braver Soldat, da wirst
du dem Kaiser schon Freude machen."
31. Nun war ich fertig.
Ich hatte die Absicht gehabt, auf den Stephansturm zu steigen,
295 um die Stadt anzuschauen, um zu erfahren, ob es denn wahr sei,
daß man weit und breit kein Ende von ihr sehe; in den Prater