Full text: Für Klasse IV der höheren Knabenschulen, Klasse VII der höheren Mädchenschulen (Band 5, [Schülerband])

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Mauern, Türme, Wälle und Deiche aufgetürmt haben, seien lange 
ausgestorben, und ein schlechteres, matteres Geschlecht habe ihre 
Stelle eingenommen. 
3. Aber wenn du tiefer auf den Grund der Dinge hinabsteigst, 
wirst du alles von einer anderen Seite ansehen lernen. Der jetzige 
Holländer steht da im Bewußtsein, daß er der Schöpfer und der Herr 
dieses Landes ist, wo nur Frösche, Möwen und Rohrdommeln ihre 
heiseren Stimmen tönen lassen würden, wenn der Mensch nicht hinzuge¬ 
treten wäre und mit Spaten, Schaufel und Ruder in der Hand sein 
„Es werde!" gerufen hätte. Es ist der stille, zahme Seelöwe, der 
sich im Gefühl des Wohlbehagens auf die trockenen Klippen an die 
Sonne gelegt hat. Wenn man diesen Menschen sieht, wie nett 
und sauber seine Kleider, seine Schuhe, wie mit Blumen mancherlei 
Art sein Flur, sein Vorhaus mit den zierlichsten Schnörkelchen und 
Bildchen geschmückt ist, wie in seinem Garten alles mit bunten 
Muscheln und Steinen ausgelegt und zu hundert und tausend ver¬ 
schiedenen Gestalten gedreht, geschnitzt, gewendet ist; wenn man 
auf seine Dreschtenne, in seinen Kuhstall tritt, so reinlich und so 
nett gefegt und gebohnt, daß eine Prinzessin mit ihrem Schlepp¬ 
kleide darüberziehen könnte: wie zierlich, wie behaglich ist das 
alles! Aber störe den Seelöwen auf, der trag und unbeholfen auf 
seinem stillen, sonnigen Lager liegt, jage ihn von den Klippen ins 
Wasser, da siehst du ihn spielen und plätschern, da hörst du ihn 
brausen, da bläst er das Wasser aus seinen Nüstern, da brüllt er 
auch wohl auf in seinem Zorn, da bewunderst du seine Kraft und 
Gewandtheit. So ist der Holländer, sobald er in sein Element, 
auf das Meer versetzt ist, ein ganz anderer Mensch. Ja, am Ruder 
und auf den Mastspitzen muß man ihn sehen, wo er zwar auch 
noch still und ruhig, aber mit ganz anderem Blick und mit viel 
schnellerer Hand den Wellen gebietet. Freilich ist er ruhig, besonnen 
und behaglich, aber in seinem Innern wohnt eine Hartnäckigkeit 
und ein Trotz, eine Festigkeit und Entschlossenheit des Willens, die 
keine Macht der Welt beugen kann. 
4. An heiterer Farbenpracht hat der Holländer seine besondere 
Freude; daher hat die Malerei auch in diesem Lande ihre fröhlichen 
Zeiten gefeiert. Hier in dieser wechsellosen Einförmigkeit, in diesem 
Lande der Sümpfe, Marschen und Heiden, wo nur um die Dörfer 
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