Full text: Gedichte für Untertertia (Teil 2, [Schülerband])

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Aus dem Nibelungenliede. 
herangewachsen und schon durch manche Lande hingezogen, um freudig seines 
riesigen Leibes wunderbare Stärke zu versuchen. Da hört er die Kunde 
von der schönen Königstochter Kriemhild zu Worms und beschließt, um 
sie zu werben. 
Siegfried wird zu Worms gar gastlich aufgenommen. Fröhliche Kampf¬ 
spiele werden auf dem Hofe des Königspalastes gehalten; Kriemhild 
schaut verstohlen durch das Fenster, und im Anschauen des starken Helden¬ 
jünglings vergißt sie alle Kurzweile, alle Spiele mit den Gefährtinnen, 
alle sinnigen Beschäftigungen der stillen Iungfraueneinsamkeit. Aber ein 
ganzes Jahr weilt Siegfried am Hofe der Burgundenkönige, ehe er die, 
um die er wirbt, nur einmal zu sehen bekommt. Er zieht aus als Kampf¬ 
genosse, gleichsam als dienender Mann des Königs, mit dem Heere und 
den Helden der Burgunden zu manchem Streite, zieht hin den weiten 
Weg vom Rhein durch Hessenland tief hinein in die Sachsengaue, deren 
König Lüdeger mit König Lüdegast von Dänemark den Burgunden Krieg 
angekündigt hatte. Im mörderischen Kampfe ist Siegfried der gewaltigste 
und siegreichste der Helden: er besiegt und nimmt gefangen den Dänen¬ 
könig Lüdegast, und vor des Helden Übermacht ergibt sich Lüdeger mit 
seinen Sachsen. Die Boten kommen vom Heere nach dem Rhein, den 
fröhlichen Sieg zu verkünden, und einen derselben läßt man auch vor 
Kriemhild erscheinen. 
Seitdem steht sie schweigsam am engen Fenster des Königsbaues, 
hinausschauend auf den Heerweg, von dannen die Sieger heimkehren sollen 
an den Rhein. Endlich erscheint das siegesfrohe Ritterheer, und die Jung¬ 
frau sieht das fröhliche Getümmel vor den Pforten der Burg, auf dem 
weiten Plan am Rheine, und unter den vielen Helden ihn, den Helden 
aller Helden, geehrt, bewundert wie keinen; aber züchtig und still hält 
sie sich wie bisher in ihrer engen Kemenate. Da wird endlich ein großes, 
heiteres Ritterspiel gehalten, und an dem fröhlichen Pfingstfeste ziehen 
von nah und fern die Höchsten und Besten, unter ihnen allein zweiund- 
dreißig Fürsten, zum Hofe der Burgundenkönige. 
Da darf endlich auch Kriemhild an der Seite ihrer Mutter Ute zum 
ersten Male öffentlich erscheinen: sie geht auf wie das Morgenrot aus 
trüben Wolken im Glanze der Jugend und der Schönheit, wie der Mond 
in mildem Schimmer neben den Sternen durch die Wolken leuchtet. Sieg¬ 
fried tritt herzu und neigt sich minniglich vor der Jungfrau: da zieht sie 
zu einander „sehnender Minne Drang". Sie gehen zusammen zum Gottes¬ 
dienst, und nach der Messe sagt die Jungfrau dem Helden Dank für den 
tapferen Beistand, den er den Brüdern geleistet. „Das ist Euch zu Dienste 
geschehen", antwortet Siegfried leuchtenden Auges. Leicht läßt er sich 
durch Zureden des jungen Giselher bestimmen, noch langer in Worms 
zu verweilen. —. 
L Wie Günther um Brunhilde wirbt. 
1. Es war eine Königin gesessen über Meer, 
ihr zu vergleichen war keine andere mehr. 
Schön war sie aus der Maßen und groß ihre Kraft; 
sie schoß mit schnellen Degen um ihre Minne den Schaft. 
2. Den Stein warf sie ferne, nach dem sie weithin sprang; 
wer ihrer Minne gehrte, der mußte sonder Wank
	        
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