VIII. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. 109
schuß zu dem Antrag veranlaßte: „Die deutsche Nationalversammlung
erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der
deutschen Nation zum Bereich ihrer Wirksamkeit gehört, und verlangt,
daß bei dem Abschlüsse des Friedens mit Dänemark das Recht der
Herzogtümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands ge¬
wahrt werde." Und er entlastete eine tief bewegte und schwer be¬
drückte Patriotenseele, als er am 9. Juni die Versammlung mit den
Worten anredete: „Vergönnen Sie ein kurzes Gehör einem Mann,
der ohne Ruhmredigkeit von sich sagen darf, daß er die besten Kräfte
seiner Jugend, daß er die Treue eines Menschenalters der schleswig¬
holsteinischen Sache gewidmet hat. Zwar wird meine Stimme nur
einen schwachen Klang haben, dennoch aber wird diese Sache obsiegen,
sie muß obsiegen, denn es gilt die Ehre von Deutschland." Da
Schleswig nicht zum deutschen Bunde gehörte und es für diesen folg¬
lich streng genommen nur eine holsteinische, nicht eine schleswig-
holsteinische Frage gab, so war ein Beschluß, wie ihn Dahlmann
forderte und auch durchsetzte, formell betrachtet ein unzweifelhafter
Übergriff, der dem Ausland als eine eigenmächtige Verrückung des
Gleichgewichts der Mächte erscheinen mußte. Eine noch größere frei¬
lich bedeutete die Wiedergeburt Deutschlands selbst. „Allerdings, sagte
Dahlmann, wird das bisherige Gleichgewicht von Europa verrückt^
wenn unser Deutschland aus einem schwachen, versunkenen Gemein¬
wesen, aus einer im Ausland gering geschätzten Genossenschaft zur
Würde, Ehre und Größe hinaufsteigt. (Bravo!) Diese Verrückung
des Gleichgewichts von Europa wollen wir aber haben und festhalten,
und auf dieser Verrückung des Gleichgewichts von Europa wollen wir
bestehen — bis der letzte Tropseu Blutes uns entströmt ist —. (Bravo!>
Wenn Sie in der schleswig-holsteinischen Sache versäumen, was gut
und recht ist, so wird damit auch der deutschen Sache das Haupt
abgeschlagen. Sie werden thun, was die Ehre Deutschlands fordert,
und mögen die Pläne aller derer zu Schanden werden, welche ihre
Rechnung stellen auf die Unsterblichkeit der Schwäche und Versunken¬
heit unseres deutschen Vaterlandes!" (Bravo!)
Die Frage war nun, an wen war die Erklärung der National¬
versammlung gerichtet, wer sollte sie ausführen? Noch bestand die
Bundesversammlung, und diese hatte erst am 5. Juui einen Be¬
schluß zum Behufe kräftigerer Kriegführung gegen die Dänen gefaßt.
Allein gegen den Gedanken, gerade den Bundestag in dieser Sache
weiter zu bemühen, sprach die peinliche Erinnerung an die Politik, die