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Eduard Mörike, Der alte Turmhahn.
veracht't und schmählich abgesetzt.
Meinthalb! so ist der Welt ihr Lauf,
jetzt tun sie einen andern nauf.
Stolzier, prachtier und dreh dich nur!
Dir macht der Wind noch ander Cour.
Ade, o Tal, du Berg und Tal!
Rebhügel, Wälder allzumal!
Herzlieber Turm und Kirchendach,
Kirchhof und Steglein übern Bach!
Du Brunnen, dahin spat und früh
Ochslein springen, Schaf und Küh,
Hans hinterdrein kommt mit dem Stecken
und Bastes Evlein auf dem Schecken!
— Ihr Storch und Schwalben, grobe Spatzen,
euch soll ich nimmer hören schwatzen!
Lieb deucht mir jedes Drecklein itzt,
damit ihr ehrlich mich beschmitzt.
Aus ist, was mich gefreut so lang,
Geläut und Orgel, Sang und Klang.
Bon meiner Höh so sang ich dort,
und hätt noch lang gesungen fort,
da kam so ein krummer Teufelshöcker,
ich schätz, es war der Schieferdecker,
packt mich, kriegt nach manch hartem Stotz
mich richtig von der Stange los.
Mein alt bretzhafter Leib schier brach,
da er mit mir fuhr ab dem Dach
und bei den Glocken schnurrt' hinein;
die glotzten sehr verwundert drein,
regt' ihnen doch weiter nicht den Mut,
dachten eben, wir hangen gut.
Jetzt tät man mich mit altem Eisen
dem Meister Hufschmied überweisen;
der zahlt zween Batzen und meint wunder,
wie viel es wär für solchen Plunder.
Und also ich selben Mittag
betrübt vor seiner Hütte lag.
Ein Bäumlein — es war Maienzeit —
schneeweiße Blüten auf mich streut,
Hühner gackeln um mich her,
unachtend, was das für ein Vetter wär.
Da geht mein Pfarrherr nun vorbei.
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