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Indigo den Waid verdrängte, trat eine großartige Gärtnerei an die
Stelle des Waidbaues. Gemüse und Blumen, Gurken und Rosen,
Brunnenkresfe und Sämereien, es wird alles in Massen gezogen, und
die Weite und Breite, in welcher Erfurt den Markt beherrscht, bürgt
sür die Güte der Erzeugnisse. Und wie der Ackerbau, so hat sich in
Lrfurt auch die Gärtnerei mit Industrie verbunden. Die schönsten
krünze und Sträuße wurden schon längst aus Erfurt bezogen; in
uerer Zeit aber hat man sich auf das Trocknen und Faͤrben der
Numen gelegt und vermag nun Blumengebilde herzustellen, die in
hrer naturwahren Farbenpracht wie frische aussehen. Es scheint un—
laublich, aber es wird versichert, daß jährlich viele hundert Zentner
eser getrockneten Ware in's Ausland versendet werden. Das ist
ir die Diners der reichen Leute. Aber wenn wir hier im Lande
durch ein Gebirgsdorf gehen, und aus dem Fenster des armen Mannes
lickt uns eine Levkoje, eine Fuchsia, eine Aster entgegen — die stammen
un alle aus dem Haupt- und Vorort unserer Gartenkultur, aus
rfurt.
Es ist eine erfreuliche Betrachtung, daß Erfurt nach allen schweren
Leiden, die es seit dem Ausgange des Mittelalters zu erdulden gehabt
sat nunmehr wieder als die in ihren Blumen blühende Stadt vor uns
beht. In der Stadt selbst giebt es nur eins, was mit den Erfurter
Mimen um unser Interesse wetteifern kann, das ist der Dom, der seit
em 13. und 14. Jahrhundert — denn im ersteren ist er begonnen,
n anderen vollendet — alle Schicksale der Stadt mit angeschaut hat.
ln mächtigsten wirkt er auf den Beschauer beim Eintritt in das Innere
die Größe des Raumes, die Höhe der Wölbung und die wunderbare
Jarbenpracht der Fenster erregen in uns jene feierliche Stimmung, die
hir in der Nähe des Erhabenen empfinden. Der Platz, auf dem der
dom steht, war schon von Bonifacius geweiht, der dort eine kleine
lirche erbaut hatte, die aber nach einigen Jahrhunderten zerfiel; auf
en Turm des Domes befindet sich die große Glocke, Maria gloriosa,
sie als das Wahrzeichen Erfurts gilt. Nach J. W. Otto Richter.
78. Goethe auf dem Kickelhahn.
Es ist jetzt mehr als hundert Jahre her, daß Goethe, welcher wie
le Menschen von tieferem Gefühlsleben und großem Gedankenreichtum,
it der Einsamkeit bedurfte, von Ilmenau aus den Kickelhahn bestieg,
in dort in voller Berg- und Waldeinsamkeit zu übernachten.
Es war am 7. September 1783. Fritz von Stein war mit ihm,
brigens war er allein und schaute sinnend von dem Pürschhause, das
hn aufgenommen hatte und damals noch das niedrige Gewälde des
hickelhahns überragte, hinab und hinüber auf die unzähligen Berggipfel