Full text: Geschichte des klassischen Altertums (Teil 7)

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Griechische Geschichte. 
Die Philosophie. Anhänger aller philosophischen Richtungen (s.S.63) waren 
Anaxagoras. in Athen zusammengekommen. Anaxagoras aus Klazomenä (in 
Kleinasien), ein vertrauter Freund des Perikles, hat nicht nur, über 
die ionischen „Naturphilosophen" hinausgehend, zuerst den Geist oder 
die Vernunft (vovs) als das die Welt ordnende und bestimmende 
Prinzip erklärt, was ihm die Anklage wegen Gottlosigkeit und die Ver¬ 
bannung aus Athen zuzog, sondern auch als erster zwischen Materie 
und Energie unterschieden. Gegenüber dem Dualismus des Anaxa- 
Demokrit und goras suchte eine neue Lehre, deren glänzendster Vertreter Demokrit 
d,e Atomistik. vonAbdera wurde, eine einheitliche Erklärung der Welt zu geben: 
es war dies die Atomistik, nach der die ewige Materie sich in un¬ 
endlich viele kleinste unteilbare Teilchen, die Atome («ro^ot), zerlegen 
läßt, deren Bewegung alles Leben, auch die Seelentätigkeiten, 
hervorruft. Diese Lehre der Atomisteu hat das Verdienst, den Grund 
zu den Wissenschaften der Physik und Chemie im heutigen Sinne ge¬ 
legt zu haben, aber sie ist auch mit ihrer rein mechanischen Erklärung 
alles Seins und Geschehens Veranlassung zu ber material ist i scheu 
Weltanschaung geworden, die der Idee einer höheren Macht, der 
Gottheit, keinen Platz mehr einräumt. 
Die Sophisten. Die aus allen bisherigen Versuchen, das Wesen der Dinge zu er¬ 
gründen, sich ergebenden Widersprüche führten eine große Gruppe von 
Denkern zum Zweifel an der Möglichkeit, jenes Problem zu föfen. Es 
waren dies die sog. Sophisten {öocpCa — Weisheit), die anknüpfend 
an Anaxagoras zwar die Vernunft für die Schöpferin der Wirklichkeit 
hielten, aber nicht eine unendliche objektive Vernunft aner¬ 
kennen wollten, sondern nur die subjektive jedes endlichen Ichs 
Protagoras. ober Verstandes. Dies lehrte Protagoras von Abdera, ein Freund 
des Perikles und des Euripides, dessen Hauptwerk, die „Wahrheit", 
mit den Worten begann: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge" 
(navteov j^Qrj^iätav [lbtqov ccv&qcojios). So wurde er der erste wissenschaft¬ 
liche Vertreter des Subjektivismus. Ein andrer Sophist, Gor- 
Gorgias. gias von Leontini (Sizilien), behauptete: 1. Es ist nichts; 2. wenn 
aber doch etwas wäre, so wäre es nicht erkennbar; 3. wäre es doch 
erkennbar, so würde es nicht mitteilbar sein (Kritizismus und 
Skeptizismus). Etwas Wirkliches gab es danach auf der Welt nicht, 
also auch keine Götter, keine allgemein gültige Wahrheit, keine binden¬ 
den Sittengesetze; je nach der abweichenden Auffassung der einzel¬ 
nen Menschen wäre Wahrheit und Sittlichkeit etwas Verschiedenes. Da¬ 
her trachtete man danach, ein tüchtiger Redner zu werden, damit man 
durch gewandten Vortrag sein er Meinung den Sieg verschaffen könne. 
Schließlich gelangte man zu ber Folgerung, Recht sei der Vorteil des 
Stärkeren. Diese Lehren, in denen die Weisheits- und Wanderlehrer 
die Jünglinge gegen Bezahlung unterrichteten, standen unter dem Ein-
	        
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