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grub sich das Flüßchen, welches an Stelle der Lahn in den Rhein fiel,
in demselben Verhältnis rückwärts schneidend durch Erosion ein Bett in
das östlich gelegene Plateau, bis es das Limburger Becken anschnitt und
nach Westen entwässerte. Ähnlich war der Vorgang beim zweiten Abschnitt,
indem der östliche Einfluß des Limburger Beckens bei Löhnberg den See
der Gießener Niederung anzapfte und dadurch die Einheitlichkeit des Lahn-
laufes herstellte. In der Eiszeit, wo eine Steigerung der Niederschlag¬
mengen stattgefunden, wurde die Wasserkraft verstärkt und die Verbindung
der einzelnen Becken gefördert. . Die Abschnitte des Stromlaufes von
Löhnberg bis Eschhofen und von Diez bis gegen Ems bezeichnen die
eigentlichen Durchbruchstrecken des Flnsses, wo der Lauf besonders gewunden
ist, die Talränder steil und ohne Vorland zum Wasser abfallen, wo daher
für Fahrwege am Flusse entlang kein Raum geblieben ist. Die Eisen¬
bahn muß diese Schwierigkeiten durch zahlreiche Tunnel überwinden.
Die Wasserläufe aber, welche auch auf diesen Durchbruchstrecken der Lahn
zuströmen, wie der bei Kloster Arnstein mündende Dörsbach und Gelbach,
der Mühlbach bei Nassau, haben in viel höherem Grade als die andern
Zuflüsse einen außerordentlich gewundenen Unterlauf und scharfgerissene,
schluchtartige Talrinnen, weil ihnen die Energie des Gefälles fehlte und
sie daher weit mehr durch die Lagerung des Gesteins bestimmt wurden.
Die Täler der genannten drei Flüsse gehören daher unbedingt zu den
großartigsten und wildesten des ganzen Lahngebietes.
Die beiden großen Becken von Gießen und Limburg bezeichnen aber
auch noch jetzt den Zusammenstrvm des Verkehrs. Hier laufen aus den
verschiedenen Seitentälern her die Verbindungswege zusammen, hier finden
sich in den fruchtbaren und geschützten Talbreiten die ältesten Ansiedelungen,
jetzt die größten Städte.
Gemäß dem Namen, welchen die Gesamterhebnng trügt, setzt sich dies
umgebende Gebirge vorwiegend aus Schiefern zusammen, der Westerwald
hauptsächlich aus Tonschiefern, der Taunus aus Grauwackeschiesern. Doch
sind zahlreiche andere Gesteine aus früheren Perioden neptunischen und
Plutonischen Ursprungs charakteristisch fiir die einzelnen Stellen des Lahn¬
tals und seiner Umgebung, die Basaltlagerungen auf dem hohen Wester¬
wald und die zahlreichen Basaltkegel der Talränder, die Grünsteine in
ihrer verschiedenen Zusammensetzung bei Weilbnrg, Gräveneck, Diez, die
Lahnporphyre, die Schalsteine verschiedenster Art. Vor allem aber bilden
die Phosphoritlager, die Eisen-, Blei-, Kupfer-, Nickel- und Silbererze,
die mächtigen Kalksteinbriiche die Grundlage für den blühenden Bergbau
und die Bergindustrie des Lahntales, dessen Name außerdem durch die
zahlreichen uub edlen Mineral- und Heilwasser, die in Selters, Fachingen,
Geilnau, Ems usw. dem Boden entquellen, weit über die Grenzen Europas
hinausgetragen wird. Heinrich Lürssen. (Das Lahntal. Gießen 1902. S. 7.)