200. Der deutsche Mann.
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bewohner sind so einförmig trüb wie das übrige: lang aus¬
gehaltene, melancholische Töne, oft rührende Weisen, die zu den
Arbeiten am Lande gesungen werden.
Die Gastfreundschaft herrscht durchweg am deutschen Meere;
es hat keine unwirtliche Küste. Überall wird man willkommen
geheißen, und jeder macht gern den Wirt. Was aber den
Küstenbewohner besonders auszeichnet, ist sein Verachten der
Lehensgefahr, wenn es gilt, in Sturm und Wetter sich in das
Meer zu wagen, um Schiffbrüchigen beizustehen. Die Gast¬
freundschaft und alles andere verschwindet davor; denn wie
sollte der, der das Leben so leicht für seinen Nebenmenschen in
die Schande schlägt, mit den Gütern des Lebens wohl karg
thun? Dce Lotsen mit ihrem Anführer, denen die Pflicht in
ruhigen Zeiten obliegt, alle einlaufenden Schiffe durch die Riffe,
Bänke und Dünen sicher in den Hafen zu leiten und bei der
Abreise ihnen ebenso den Weg in die offene See zu zeigen,
stehen groß da im Sturme, wenn die wilden Wellen heulend
den Strand umbrausen und der Hilfsschrei der Schiffenden
durch Sprachrohre ins Getöse und Gedonner des Meeres tönt,
und hie und da ein durch Nacht und Wellen aufblinkendes
Lichtlein die Richtung angibt, wo sich das Schiff in Nöten
befindet, das seine Notlaterne aufgezogen hat. Dann nimmt
der wackere Lotse raschen Abschied von seiner Familie und hört
uur den Schrei der Not und den Ruf der Pflicht. Auf Gott,
seinen Mut und seine Geschicklichkeit vertrauend, eilt er hinaus,
um den dem Untergange Verfallenen beizustehen. Unzählbar
sind hier die Beweise des größten Heldenmutes, der edelsten
Selbstaufopferung; bewunderungswert die Entwicklung von
Körperkraft und Geschicklichkeit, merkwürdig die Kraft der Seele,
die Ruhe des Gemütes, die der Lotse in der Stunde der furcht¬
barsten Gefahr zeigt. Ehre sei diesen wackern, einfachen
Menschen! Doppelt gebührt sie ihnen, da kein großer Lohn,
reine glänzende Auszeichnung ihnen zu Teil wird; sie sind
Und bleiben arme Küstenbewohner und wollen auch nichts anderes
werden; das Meer und den grauen Sand des Ufers haben sie
kden so lieb, wie der Älpler seine Eisberge und grünen Matten,
Und in den Ä)aten, die sie ausüben, und die der Fremde anstaunt,
sehen sie eben nur das, was andere ihr Tagewerk nennen.
200. Der deutsche Mann
Wer ist ein Mannt
Eer beten kann
Und Gott dem Herrn vertraut.
Wenn alles bricht,
Er zaget nicht:
E>em Frommen nimmer graut
Wer ist ein Manns
Der glauben kann,
Inbrünstig wahr und frei,
Denn diese Wehr
Trügt nimmermehr,
Die bricht kein Mensch entzwei.
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