Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

200. Der deutsche Mann. 
323 
bewohner sind so einförmig trüb wie das übrige: lang aus¬ 
gehaltene, melancholische Töne, oft rührende Weisen, die zu den 
Arbeiten am Lande gesungen werden. 
Die Gastfreundschaft herrscht durchweg am deutschen Meere; 
es hat keine unwirtliche Küste. Überall wird man willkommen 
geheißen, und jeder macht gern den Wirt. Was aber den 
Küstenbewohner besonders auszeichnet, ist sein Verachten der 
Lehensgefahr, wenn es gilt, in Sturm und Wetter sich in das 
Meer zu wagen, um Schiffbrüchigen beizustehen. Die Gast¬ 
freundschaft und alles andere verschwindet davor; denn wie 
sollte der, der das Leben so leicht für seinen Nebenmenschen in 
die Schande schlägt, mit den Gütern des Lebens wohl karg 
thun? Dce Lotsen mit ihrem Anführer, denen die Pflicht in 
ruhigen Zeiten obliegt, alle einlaufenden Schiffe durch die Riffe, 
Bänke und Dünen sicher in den Hafen zu leiten und bei der 
Abreise ihnen ebenso den Weg in die offene See zu zeigen, 
stehen groß da im Sturme, wenn die wilden Wellen heulend 
den Strand umbrausen und der Hilfsschrei der Schiffenden 
durch Sprachrohre ins Getöse und Gedonner des Meeres tönt, 
und hie und da ein durch Nacht und Wellen aufblinkendes 
Lichtlein die Richtung angibt, wo sich das Schiff in Nöten 
befindet, das seine Notlaterne aufgezogen hat. Dann nimmt 
der wackere Lotse raschen Abschied von seiner Familie und hört 
uur den Schrei der Not und den Ruf der Pflicht. Auf Gott, 
seinen Mut und seine Geschicklichkeit vertrauend, eilt er hinaus, 
um den dem Untergange Verfallenen beizustehen. Unzählbar 
sind hier die Beweise des größten Heldenmutes, der edelsten 
Selbstaufopferung; bewunderungswert die Entwicklung von 
Körperkraft und Geschicklichkeit, merkwürdig die Kraft der Seele, 
die Ruhe des Gemütes, die der Lotse in der Stunde der furcht¬ 
barsten Gefahr zeigt. Ehre sei diesen wackern, einfachen 
Menschen! Doppelt gebührt sie ihnen, da kein großer Lohn, 
reine glänzende Auszeichnung ihnen zu Teil wird; sie sind 
Und bleiben arme Küstenbewohner und wollen auch nichts anderes 
werden; das Meer und den grauen Sand des Ufers haben sie 
kden so lieb, wie der Älpler seine Eisberge und grünen Matten, 
Und in den Ä)aten, die sie ausüben, und die der Fremde anstaunt, 
sehen sie eben nur das, was andere ihr Tagewerk nennen. 
200. Der deutsche Mann 
Wer ist ein Mannt 
Eer beten kann 
Und Gott dem Herrn vertraut. 
Wenn alles bricht, 
Er zaget nicht: 
E>em Frommen nimmer graut 
Wer ist ein Manns 
Der glauben kann, 
Inbrünstig wahr und frei, 
Denn diese Wehr 
Trügt nimmermehr, 
Die bricht kein Mensch entzwei. 
21*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.