Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

334 204. Was König Heinrich der Finkler für Deutschland gethan. 
geschlossen. Ein kurzes Haar oder kahlgeschorener Kopf 
machte die Menge dieser Unglücklichen schon von ferne 
kenntlich. So ehr- und rechtlos waren sie, dass sie mit dem 
Hausvieh gleichen Wert hatten und wie Kaufmannsware auf 
den Märkten eingehandelt und verkauft wurden. Ihre Anzahl 
wuchs von Jahr zu Jahr; denn Leute, die da verarmt waren, 
oder der Neckerei und Unterdrückung grausamer Reichen 
müde waren, wählten verzweiflungsvoll oft das bittere Los 
der Knechtschaft, oder begaben sich in den Schutz eines 
Mächtigeren, um Versorgung und Sicherheit zu gewinnen. 
Die Leibeigenen hauten für die Freien das Feld und 
arbeiteten auf deren Gütern und Höfen als Stall- und Haus¬ 
knechte, als Waffen- und Schildschmiede, als Seiler, Brauer, 
Maler, Bötticher, Bäcker u. s. w., jeder nach seinem Geschick 
oder dem Willen seines Herrn; denn Handwerke als die 
Beschäftigung einzelner Männer gab es damals noch nicht. 
Mancher Leibeigene genoss durch besondere Geschick¬ 
lichkeit oder Herrengunst einige Freiheit als Aufseher oder 
Oberknecht. Mancher war nur einigemal in der Woche arbeits¬ 
pflichtiger Tageschalk; die übrigen Stunden verwendete er 
dem eigenen Nutzen. Mancher wohnte sogar auf eigener Hube*), 
hielt sich eigene Knechte und hatte eigenes Vermögen. Doch 
auch dann erbte noch sein Leibherr von der Hinterlassenschaft, 
meistens das beste Haupt Vieh, Geräte und Kleider. — 
Andere konnten sogar die Scholle verlassen, welche sie an¬ 
zubauen hatten, wenn aus ihrer Nachkommenschaft einer 
darauf blieb, der den Grund bestellte, wie bisher. Solche 
näherten sich schon den Freigelassenen. Höher als der 
Freigelassene standen seine Kinder; sie waren Befreite, 
betrachteten sich allen Freigebornen gleich und waren nur 
aus Armut und gegen Bezahlung dienstbar. • 
Unter jenem neunten Teil der Bevölkerung, den König 
Heinrich die Städte bevölkern hiess, sind die Unfreien nicht 
mitgerechnet; denn diese zogen nach und nach in grösseren 
Haufen in die Städte. Von jenen Freien oder Adalingen aber, 
die in die Städte zogen, kamen dann die Patrizier her, 
oder Geschlechter, wie man sie auch nannte, die bis ins 
dreizehnte Jahrhundert hinein allein die Regierung in den 
Händen hatten, alle Gefälle der Stadt verwalteten und frei 
über Einnahme und Ausgabe verfügten, ohne den Handwerkern 
Rechenschaft abzulegen, bis diese nach wenigen Jahrhunderten, 
durch Reichtum und Waffenübang erstarkt, von den Ge- 
*) Hube, Huebe, Huoba — Halbhof, hatte 30 Morgen Acker-, 
Feld- oder Holzgründe. Mansus betrug eine halbe Huebe und be¬ 
trug gewöhnlich 12 Morgen Landes. Abgeleitete Familiennamen 
Huber, Hueber etc.
	        
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