Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

205. Vom ersten Kreuzzuge. 
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zu Jerusalem und ihren Patriarchen ungekränkt, sondern 
legten auch den Wallfahrern bei ihren Andachtsübungen nie 
etwas in den Weg; sie sahen in diesen Besuchen vielmehr 
nur ihren Vorteil. Anders aber ward es, als die seld- 
schukischen Türken Palästina eroberten (1076). Diese rohe, 
fanatische Raubhorde übte an den heiligen Orten alle mög¬ 
lichen Frevel, legte willkürlich schwere Steuern auf und 
mißhandelte die Pilger. 
Da erschien vor dem Papst Urban II. ein frommer 
Pilger, Peter von Amiens. Früher Soldat, war er Ein¬ 
siedler geworden und nach Jerusalem gepilgert Bei dem 
Anblick der Not und des Elendes der Christen im Morgen¬ 
lande erwachte in ihm der Entschluß, das Abendland auf¬ 
zurufen zur Hilfe gegen diese Grausamkeiten. 
Papst Urban empfing den begeisterten.Einsiedler mit 
Wohlgefallen und bevollmächtigte ihn, das Kreuz wider die 
Ungläubigen zu predigen. Peter durchzog, auf einem Maul¬ 
esel reitend, barfuß und mit entblößtem Scheitel, den Strick 
um die Lenden, das Kruzifix in der Hand, zuerst Italien, 
dann Südfrankreich von Stadt zu Stadt und schilderte in 
Kirchen und auf Heerstraßen mit glühenden Worten die 
Bedrängnisse der morgenländischen Christen. Alt und jung, 
vornehm und gering ward von dem Feuerblick seiner tief 
nn abgemagerten Gesicht liegenden Augen, von seiner bilder¬ 
reichen, begeisterten Rede ergriffen; alles ersah in ihm einen 
Boten des Himmels und ward vom Drange nach der Be¬ 
freiung des heiligen Landes mächtig erfaßt. 
Der Papst berief nun 1095 eine große Kirchenversamm¬ 
lung nach Clermont in Frankreich, und die Zahl der Menschen, 
me dort zusammenkamen, war so groß, daß kein Gebäude in 
me Stadt sie fassen konnte, sondern unter freiem Himmel 
0er Papst seine Anrede an sie richtete. In begeisterten 
Worten forderte er alle und insbesondere die Gewaltigen 
und Machthaber auf, von ihren Mitchristen die räuberische 
Hand abzulassen, dagegen das Schwert zu zücken gegen die 
Türken. Da rief alles Volk, das da versammelt war: „Gott 
will es! Gott will es!" Zuerst trat dann der Bischof Adhemar 
üon Puy hervor und bat um die Erlaubnis, am Zuge ins ge¬ 
übte Land gegen die Türken teilnehmen zu dürfen. Der 
Papst gewährte sie ihm und heftete ihm zum Zeichen dessen 
Ml rotes Kreuz von Wolle auf die rechte Schulter. Seinem 
Beispiele folgend, drängten sich nun so viele mit der gleichen 
Solereder, Baterl. Lesebuch. Kleine Ausgabe. 
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