Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

214. Lob Gottes in den Alpen. 
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selben damals allgemein wurde. Der König von Polen 
erhielt das Zelt Kara Mustafas mit allem, was darin 
war. Die Soldaten durften am andern Tage das Lager 
plündern; sie fanden aber so viel Gold, Silber und 
Schmuck, dass sie alles andere den Wienern überliessen. 
Diese kletterten am frühesten Morgen über die Bresche 
hinab, wogten bei den Thoren hinaus, drängten sich in 
das Lager und ergossen sich in die Vorstädte. Durch 
den Schutt und Graus fand sich mancher kaum zurecht 
his zu dem Platz, wo einst sein Haus gestanden; aber 
in den Kellern und Gewölben lag so viel verschiedener 
Vorrat, dass er sein Haus leicht wieder ausbaute. 
Während alle nach irdischem Gut trachteten, ging 
Bischof Kolonitsch nach einer köstlicheren Beute aus; 
er suchte im Lager die verlassenen Christenkinder, fand 
deren 500 und sorgte für alle, ein wahrer Mann des 
Evangeliums. 
214. Lob Gottes am Abend in den Alpen. 
In einigen Alpenbezirken von Piemont und Savoyen, in 
denen die Bewohner zerstreut als Wirten wohnen, herrscht eine 
schöne, fromme Sitte, welche den Wirten einigen Ersatz für das 
gesellige Leben in ihrer Einsamkeit verschafft, wenn die Sonne 
das Thal verlassen hat und ihre letzten Strahlen noch schwach 
die schneeigen Gipfel der Berge vergolden, nimmt der ijirte, 
dessen Hütte auf dem höchsten Punkte liegt, sein Alphorn und 
ruft wie durch ein Sprachrohr: „Lobet den Herrn!" Alle 
benachbarten Hirten, an der Thür ihrer Hütte stehend, wieder¬ 
holen der Reihe nach den Schall, sowie sie ihn vernehmen, 
und so ertönt eine Viertelstunde lang von Fels zu Fels, von 
Tiefe zu Tiefe sich in immer weitere Ferne verlierend das 
Tcho: „Lobet den Herrn!" Eine feierliche Stille folgt den 
letzten Tönen des Horns, und dann fallen alle Hirten mit ent¬ 
blößtem Haupt und frommer Andacht auf die Kniee nieder. 
And wenn endlich Finsternis die Berge umhüllt, so erschallt 
das Horn von neuem mit einem traulichen „gute Nacht!" 
und in Frieden ziehen sich nun die Hirten in ihre einsamen 
Wohnungen zurück, um auszuruhen von den Rlühen des 
Tages.
	        
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