C. Lânder und Völker Europas mit Beziehung auf Deutschland.
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Schon im Mai ziehen die Sennen mit den Ziegen und Schafen auf die Alp;
später kommen die Kühe nach. Solche Ausfahrt auf die Alp ist ein allgemeines
Fest. Beim Einbrüche der Kälte, gewöhnlich im September, werden die Senn¬
hütten wieder verlassen und die Herden in die Thäler hinabgetrieben.
4. Wo der Pflanzenwuchs aufhört, liegen die Firnen und Gletscher.
Jene sind ausgedehnte Felder von ewigem Schnee: diese große Eisfelder, aus
halbgeschmolzenem Schnee entstanden. Herrlich schimmert im Sonnenglanz das
Eis in roter, blauer und grüner Farbe. Am Morgen bescheint die Sonne
schon die oberen Alpenhöhen, während unten im Thale noch alles dunkel ist.
Wenn ihre letzten Strahlen am Abend die Berge beleuchten, während das
tiefliegende Land schon mit Dämmerung bedeckt ist, dann prangen die hohen
Vergspitzen und die schroffen Hörner in purpurnem Rosenlichte und scheinen
rot zu flammen. Das ist das Alpenglühen.
Dort oben ist auch die Heimat der Lawinen. Sie fangen klein an,
werden aber immer größer. Eine Lawine reißt Bäume, sa selbst Felsblöcke
mit sich fort, bis sie sich mit großem Gekrach ins Thal stürzt, wo sie ganze
Dörfer überschüttet, Seeen ausfüllt, deren Wasier staut und dadurch Über¬
schwemmungen veranlaßt. Selbst denjenigen Ortschaften wird sie gefährlich,
die nicht unmittelbar von ihr berührt werden, indem schon der Luftdruck, den
sie weit um sich her ausübt, Häuser stürzt, Türme und Bäume umwirft und
Menschen und Tiere weit fortschleudert.
5. Die Wege in den Alpen sind oft sehr gefährlich. An schwindelnd
steilen Felswänden hin führen die Fußpfade, nicht selten auf schmalen Brücken
über grausig tiefe Abgründe. Die meisten Gebirgskämme sind so hoch und
steil und durch Abgründe und Gletscher so gefährlich, daß sie nur für Menschen
oder für den sichern Tritt der Maultiere gangbar gemacht werden konnten.
Über einige Berge sind aber Straßen gelegt, z. B. über den St. Gotthard
und über den Simplon. Neuerdings macht man Wege mitten durch die Berge
hindurch, indem man unterirdische Gänge durch die Felsen sprengt und Eisen¬
bahnen anlegt. Eine solche Bahn ist auch durch den Gebirgsstock des St. Gott¬
hard hindurchgeführt.
6. Länder und Völker Europas mit Leziehung auf
Deutschland.
Unser Vaterland liegt recht in der Mitte von Europa. Wie die
Blätter den Fruchtknoten einer Blume umschließen, so umgeben Deutsch¬
land die übrigen Länder des Erdteiles. Rings um dasselbe wohnen
die anderen Völker. Ähnlich wie vom Herzen das Blut ausgeht und durch
den ganzen Körper hindurchströmt, so ist auch die deutsche Bevölkerung
nach allen Seiten hingegangen. In dem nördlichen Teile Europas
wohnen Stämme, welche zu der deutschen Völkerfamilie gehören. Holland
und Belgien haben zum großen Teile eine deutsche Bevölkerung.