an's Grab, sah den vermeinten Herrn Kannitverstan hinabsenken in
die Ruhestätte und ward von der holländischen Leichenpredigt, von
der er kein Wort verstand, mehr gerührt, als von mancher deutschen,
auf die er nicht Acht gab. Endlich ging er leichten Herzens mit den
andern wieder fort, verzehrte in einer Herberge, wo man deutsch
verstand, mit gutem Appetit ein Stück Limburger Käse, und wenn
es ihm einmal wieder schwer fallen wollte, daß so viele Leute in der
Welt so reich seien, und er so arm, so dachte er nur an den Herrn
Kannitverstan in Amsterdam, an sein großes Haus, an sein reiches
Schiff und an sein enges Grab. Hebel.
74. Volney JBeckner.
Nachdem ich das nördliche Amerika nach allen Rich¬
tungen durchstreift und auch Haiti besucht hatte, schiffte ich
mich mit einer reichen Ernte von Pflanzen in Port au Prince
nach Frankreich ein. Unser Schiff war zum Theil mit ir¬
ländischen Matrosen bemannt, unter denen sich vornehmlich
die beiden Beckner, Vater und Sohn, auszeichneten. Der
Vater galt für den besten Matrosen in der englischen Marine,
und der Sohn, obgleich erst ein Knabe von zwölf Jahren,
gab dem Vater nur wenig nach. Gross und stark über seine
Jahre, leuchtete aus seinem von Sonne und Wetter gebräun¬
ten Gesichte zugleich der Muth eines Mannes, eine kindliche
Gutmüthigkeit und jener unbesiegliche Frohsinn, der den
Irländer so vorzüglich auszeichnet. Auch war er der Lieb¬
ling aller, die auf dem Schiffe waren. Wenn wir ihm bei
seinen Geschäften zusahen und uns über die Gewandtheit
freuten, mit der er auch das schwerste so leicht hin ver¬
richtete, als ob es nichts wäre, und alles beachtete, ob er
sich gleich um nichts zu bekümmern schien, dann pflegte
der Vater wohl zu sagen: „Ist’s ein Wunder? Ein guter
Irländer ist von Mutterleibe an auch ein guter Seemann, und
mein Volney hat das Seewasser gekostet, ehe er „Vater“
sagen konnte. Er war der erste Knabe, der mir geboren
ward; drei Schwestern waren ihm voraus, und ich hatte mich
schon darein ergeben, dass die Beckners aussterben würden,
— da kam endlich der Junge an, und ich sagte gleich: Aus
dem soll ein Wasserheld werden; dafür steh ich! — Sobald
er von der Muttermilch entwöhnt war, liess ich ihn nicht
aus den Augen. Ich nahm ihn überall mit, und wenn ich
ihn aus dem Kahn in’s Wasser warf, war es ihm ein Spass,
und er lachte mich an; wie er kaum zwei Jahre alt war,
Freie »sehn er, Deutsches Lesebuch für Volksschulen. j 7