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Heiden und schlechte Christen; denn darum hat dir Gottes Wille alle
Gewalt über das Reich der Franken verliehen, daß die ganze Christen¬
heit sicheren Frieden gewinne." Dann ergriff er den Mantel mit
den Spangen und legte ihm denselben an mit folgenden Worten:
„Die Säume dieses Gewands, die bis zur Erde herabwallen, sollen
dich mahnen, bis an das Ende auszuharren im Eifer für den Glauben
und in der Sorge für den Frieden/' Und als er ihm Scepter und
Stab überreichte, sprach er: „An diesen Zeichen lerne, daß du väter¬
lich züchtigen sollst, die dir untergeben sind." „Vor allem aber",
fuhr er fort, „strecke deine Hand aus voll Barmherzigkeit gegen die
Diener Gottes, wie gegen die Wittwen und Waisen, und nimmer
versiege auf deinem Haupte das Öl des Erbarmens, auf daß du
hier und dort die unvergängliche Krone zum Lohn empfangest." Mit
diesen Worten nahm er das Ölhorn, salbte ihn mit dem heiligen
Öle, das die Kirche als ein Zeichen der Barmherzigkeit ansieht, und
setzte ihm unter Beihilfe des Erzbischofs Wikfried von Köln das
goldene Diadem auf das Haupt.
Als so die Krönung vollbracht war, stieg Otto, schon im Glanze
der Krone, zu dem Throne empor, der zwischen zwei Marmorsäulen
von wunderbarer Schönheit erhöht war, von wo er das ganze ver¬
sammelte Volk überblickte und von allen gesehen werden konnte.
Hier blieb er, während die Meffe gehalten wurde, dann stieg er
vom Throne herab und kehrte zur Pfalz Karls des Großen zurück.
In der Pfalz war inzwischen an marmorner Tafel das Königs¬
mahl mit auserlesener Pracht bereitet. Mit den Bischöfen und
Herren setzte sich der neue Herrscher zu Tische, und es dienten ihm
beim Krönungsmahle die Herzöge der deutschen Länder. So ist es
damals zuerst geschehen, und oft dann in der Folge; es war ein
Zeichen, daß die Herzöge der einzelnen Länder den König, der über
das ganze Volk gesetzt war, als ihren Herrn erkannten, daß sie
nichts anderes sein sollten und wollten als die ersten seiner Dienst¬
leute. Denn wie an dem Hofhält der deutschen Fürsten von alters
her die mächtigsten und angesehensten unter den Dienstleuten als
Mundschenk, Kämmerer, Truchseß und Marschall die Person der
Fürsten umgaben und ihrer warteten: so leistete damals der Loth¬
ringerherzog Giselbert, in dessen Gebiet Aachen lag, die Dienste des
Kämmerers und ordnete die ganze Feier, der Frankenherzog Eberhard
sorgte als Truchseß für die Tafel, der Schwabenherzog Hermann
stand als oberster Mundschenk den Schenken vor, und Arnulf von
Baiern nahm für die Ritter und ihre Pferde als Marschall Bedacht,
wie er auch die Stellen bezeichnet hatte, wo man lagern und die
Zelte aufschlagen konnte. Denn die alte Kaiserstadt reichte nicht aus,
die Zahl aller der Herren, die nach Aachen geritten waren, in sich
zu fassen. Als die Festlichkeiten beendet waren, lohnte Otto einem