Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für Volksschulen

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und von ihr war es nicht zu erwarten, daß sie nach einem so abgelegenen 
Gebiet hin sollte eine Straße bauen lassen. Da rief Oberlin eines Tages 
seine Bauern zusammen. „Kinder," sagte er, „es ist nötig, daß wir durch 
unser Steinthal bis zu der nahen Hauptstraße eine Seitenstraße anlegen und 
eine Brücke über die Breusch bauen." Die Bauern staunten mit offenem 
Munde den Pfarrer und sich unter einander an und sagten einmütig, das 
ginge unmöglich, sie hätten andere Sachen zu thun, als Straßen zu bauen. 
Da sagte der Pfarrer: „So wie es jetzt ist, seid ihr einen großen Teil des 
Jahres hindurch von der ganzen übrigen Welt abgeschieden. Nicht einmal im 
Sommer kann sich ein Fuhrwerk zu euch heraufgetrauen. Bauet eine Straße, 
so könnt ihr eure Landeserzeugnisse leichter absetzen und das ganze Jahr 
hindurch den Umgang anderer Leute genießen." — „Das geht unmöglich an, 
Herr Pfarrer," antworteten die Bauern. — „Wer also will, der folge meinem 
Beispiel," sagte der Pfarrer, „und gehe mit hinaus, ich will's euch zeigen, 
wie man eine Straße bauen muß." — Oberlin, in seinem alten Rock, nahm 
eine Pickelhaue auf die Schulter und ging voraus, und siehe da, die Bauern 
eilten jeder in sein Haus und folgten, der eine mit einer Schaufel, der andere 
mit Spaten, der dritte mit Pickel und Brecheisen, dem Pfarrer nach. Bei 
diesem war der ganze Plan schon längst überlegt und ausgedacht; er stellte 
gleich einen jeden an seinen Ort und legte selber mit seinem Knechte gerade 
da, wo die Arbeit am beschwerlichsten und gefährlichsten erschien, rüstig die 
Hand an. Die Bauern arbeiteten mit dem Pfarrer bis zum Mittag und 
dann wieder bis zum Abend, und so war der Straßenbau begonnen und nach 
wenigen Monaten auch vollendet. Bald war auch über die schäumende Breusch 
von dem Pfarrer im Steinthal und seinen Bauern die Brücke erbaut und die 
Verbindung mit der Hauptstraße vollends bewerkstelligt. Jetzt wurden nun 
auch durch die einzelnen Teile des Steinthales selber Steinwege angelegt. Die 
Kirche des einen Ortes war so gelegen, daß bei feuchter Witterung die Kirchen¬ 
gänger nur durch einen See von Schmutz und Schlamm zu ihr gelangen 
konnten. Oberlin empfahl, daß jeder, der zur Kirche ginge, einen Stein mit 
sich bringen und außen niederlegen sollte, zur Begründung eines festen Weges, 
und ging dabei selber mit gutem Beispiel voran. Nachdem so das Thal 
gereinigt und trocken gelegt, überall bepflanzt und blühend geworden war, 
ging Oberlins Sorgfalt auch weiter ins Innere der Ortschaften selber und in 
den Bau der Häuser ein. Schon früher hatte er seine Bauern gelehrt, den 
Dünger, welcher vorher nur ein ekelhafter Schmutz um die Häuser her gewesen 
war, in besondern Gruben aufzubewahren und für den Ackerbau zu benützen, 
und dies hatte zur äußern Reinlichkeit vieles gewirkt; jetzt entstanden denn 
auch durch feinen Betrieb allmählich statt der schmutzigen verfallenen Hütten 
reinliche, steinerne Häuser, die auch großenteils mit gemauerten Kellern, zum 
Aufbewahren der Kartoffeln, versehen waren. 
225. Meister Hämmerlein. 
(Schlez.) 
Vor etlichen und dreißig Jahren starb in einem preußischen Dorfe der 
Gemeindeschmied Jakob Horn. Im gemeinen Leben hieß er nicht anders als 
Meister Hümmerlein. „Meister Hämmerlein? Ei warum denn Meister Hämmer- 
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