Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für evangelische Volksschulen

210 
weggeben?“ Da drückt Luther schnell den Becher zusammen und spricht: 
„Trage ihn flugs zum Goldschmied und verkaufe ihn. Ich brauche den 
silbernen Becher nicht.“ 
Ein andermal bat ihn ein Armer um eine Unterstützung. Nach 
z langem Suchen fand Luther einen Joachimsthaler. Da rief er fröhlich: 
„Joachim heraus! Der Heiland ist da!“ Da er einst kein Geld hatte 
und einen armen Mann nicht unbeschenkt gehen lassen wollte, nahm er 
das Patengeld seiner Kinder und gab es ihm, und als seine Frau ihm 
Vorstellungen machte, sagte er: „Gott ist reich, er wird schon etwas 
10 anderes bescheren und noch mehr.“ 
3. Bei einer solchen Freigebigkeit mußte freilich die Hausfrau sehr 
sparsam sein, um die eigenen Bedürfnisse bestreiten zu können, und 
Luther erkannte das an. Er sagte einmal: „Der Mann erwirbt, die 
Frau erspart; aber der ersparte Pfennig ist mehr wert, als der er— 
15 worbene.“ — Nach seinem Tode sagte Käthe: „Ja, hätte mein Herr 
einen andern Sinn gehabt, so wäre er sehr reich geworden.“ Melanch— 
thon erwiderte: „Ja wohl; aber dann wäre er nicht der Luther 
geworden.“ 
267. Luther in Worms und auf der Wartburg. 
1. Kaiser Maximilian starb im Jahre 1519, und Karl V. folgte 
ihm. Der befahl den deutschen Fürsten und hohen Geistlichen, sie sollten 
sich zum Reichstag in der Stadt Worms versammeln. Da wollten sie 
mit einander besprechen, wie der Streit, der durch Luther veranlaßt war, 
beizulegen sei. Der Reichsherold stellte Luther das kaiserliche Schreiben 
25 am 26. März 1521 zu. Innerhalb einundzwanzig Tagen sollte er in 
Worms erscheinen. 
Am 2. April brach er von Wittenberg auf; es war Dienstag nach 
Ostern. Der Magistrat lieferte Wagen und Pferde. Der Weg führte 
durch Thüringen. Ein Herold ritt vor ihm her. Überall zog das Volk 
dem kühnen Mönche entgegen. Besonders hatte sich Erfurt geschmückt, 
seinen alten Magister zu empfangen. Der Rektor der Universität und 
vierzig Männer zu Pferde empfingen ihn. Luther blieb einen Tag in 
der Stadt und predigte. Unterwegs versuchten seine Freunde, ihn von 
seinem Vorhaben abzuschrecken. Der Kurfürst selbst, Luthers Landes— 
fürst, ließ ihn warnen, nach Worms zu gehen. Luther aber ließ sich 
nicht halten, sondern erwiderte auf die vielen Warnungen seiner Freunde: 
„Huß ist verbrannt worden, aber die Wahrheit nicht; ich will nach 
Worms, wenn auch so viel Teufel dort wären, als Ziegel auf den 
Dächern.“ 
30
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.