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Protektor und Beförderer dieses Baues und sein königliches Haus. Er steige
herab auf diesen Dom, diese Stadt, dieses Land und dieses Reich und das ganze
dutsche Vaterland, damit sie wachsen und aufblühen in deutscher Macht, in
Stärke und Eintracht und Liebe; damit der Name des Herrn groß sei unter
allen Stämmen deutscher Nation, und sein Reich zu uns komme, auf daß Friede
sei auf Erden unter den Menschen, die eines guten Willens sind, und Ehre dem
Gott der Ehren in der Hoͤhe!
236. Verkeidigungsrede für den KRilter in Schillers
„Kampf mit dem Drachen“.
Franz Linnig.
„Herr, richte, wenn Du alles weißt.“
Hochwürdigster Ordensmeister, edler Ritter!
Wenn ein Ritter aufgenommen wird in den Orden des heiligen Johannes,
der jetzt unter Deiner Leuung, würdigster Meister, in so kräftiger Blüte dasteht,
so schwört er Dir Unterwerfung und Gehorsam bis in den Tod. Zum Wahr—
Lichen dieses Schwures trägt er das Kreuz auf der Brust, auf daß es ihn be—
ständig daran mahne, seinen eigenen Willen zu kreuzigen und sich den Geboten
eines Höheren zu unlerwerfen. — Nun aber beschuldigst Du diesen Ritter, den
tapferen Besieger des Drachen, des Ungehorsams, der frechen Verletzung Deines
Gesetzes und erklärst ihn damit jenes Schmuckes für unwürdig. Fürwahr, eine
schwere Beschuldigung! Doch nur die That ist Dir bekannt, nicht ihre Gründe
und Ursachen; gleichwohl bin ich überzeugt, wenn Du diese vernommen haben
wirst, so wirst Du Dein Urteil mildern und mit mir sagen:
„Des Gesetzes Sinn und Willen
Vermeint' er treulich zu erfüllen“.
Den Kampf mit dem Drachen, der nun tot zu Deinen Füßen liegt, ver⸗
botest Du, well eine traurige Erfahrung gelehrt hatte, daß auch der kühnste
Mut und die höchste Tapferkeit vor dieser Äusgeburt der Hölle zunichte wurde.
Waren doch bereits funf edle und ausgezeichnete Ritter als die Opfer ihres
Mutes in dem Kampfe mit dem Ungeheuer gefallen. Mit Recht schlossest Du
hieraus, daß es ein vergebliches Wagnis sei, weitere kostbare Leben in diesem
Kampfe einzusetzen. Wie aber — so möchte ich fragen —, wenn List und
Überlegung im Verein mit Heldenmut und Stärke diesen Kampf begännen?
Wenn kluge Vorsicht und Berechnung gleichsam die Gewißheit böͤten, siegreich
aus dem verbotenen Kampfe hervorzugehen? — Das erwog der tapfere Ritter,
zu dessen Verteidigung ich hier slehe, und diese Erwägung ließ ihm Dein Gebot
in dem Sinne erscheinen, daß es nicht ein unbedingtes sei, sondern nur bezwecke,
en Opfer dem Orden zu ersparen, nicht aber, den Sieg zu hindern und
es Landes Plagen zu verewigen. Von dieser Überzeugung geleitet, stellte er
heimlich und vorsichtig dem Ungeheuer nach und erspäͤhte seine Fährte und Ge—
stalt; mit weiser Ümsicht bereitete er sich auf den Kampf vor; mit großer Klug⸗
heit waͤhlte er seine Kampfgenossen, das arabische Roß und die treuen Doggen;
mit weiser Berechnung bildete er die scheußliche Gestalt des Drachen nach, uͤbte
si und die Tiere mit männlicher Ausdauer auf den Drachenkampf ein, und erst
a, nach seiner Rückkehr aus der Heimat, zog er zum entscheidenden Strauße
Aber auch so noch baute er auf menschliche Kraft und Klugheit nicht fester
auf göttlichen Beistand. Denn ehe er den Drachen aufsuchte, bereitete er
erst in der Gnadenkapelle auf der Spitze des Berges durch inbrünstiges
ebet vor und erflehte sich des Himmels Schutz und Beistand.