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5. Die Reisenden haben inzwischen eifrig Beobachtungen angestellt
über Wärme und Feuchtigkeit der Luft, Stärke der Sonnenstrahlung,
Formen der Wolken. Vergeblich schaut der Ballonführer nach einer
Wolkenlücke aus, durch die er die Erde sehen kann. In unbekannter
Richtung und mit unbekannter Geschwindigkeit werden wir weitergelrieben,
vielleicht der See zu. Es muß daher der Abstieg eingeleitet werden.
Das Ventil wird gezogen; pfeifend strömt etwas Gas aus dem Ballon,
und er sinkt rasch auf die Wolkenoberfläche. Hier schwimmt der von
den Sonnenstrahlen stark erwärmte Ballon auf den kalten Wolken wie
ein Schiff auf welligem Wasser, bis ihn erneutes Ventilziehen ganz in
die Wolken eintauchen läßt. Wir kommen wieder durch das Schnee¬
gestöber und den kalten Nebel. Plötzlich zerreißt dieser, und wir sehen
eine unbekannte Landschaft unter uns. Jetzt erst merken wir, wie rasch
der Ballon füllt; denn wir haben den Eindruck, daß uns die Erde ent¬
gegenstürzt. Wir werfen ein wenig Ballast aus, um die Fallgeschwindig¬
keit zu verringern; denn die Gegend ist zur Landung günstig: ebene
Wiesen, niedriges Strauchwerk, ein kleines Dorf. Schon legt sich das
hundert Meter lange Schlepptau auf die Erde und erleichtert den Ballon.
Schon haben uns die Leute bemerkt und eilen herbei. Noch einmal ziehen
wir das Ventil; der Korb schlägt heftig auf die Erde, und die Schleif-
fahrt beginnt. Der Ballon hat nicht mehr die Kraft zu steigen, aber
der Wind bläht die schlaffe Ballonhülle zu einem riesigen Segel auf und
schleift die Gondel in großen Sprüngen über Wiesen und Äcker. Dies ist
für den Luftschiffer der gefährlichste Teil der ganzen Fahrt. Nach wenigen
Minuten ist es dem Führer gelungen, so viel Gas ausströmen zu lassen,
daß der Ballon in sich zusammenfällt. Die Fahrt ist beendet.
6. Hilfreiche Leute strömen nun von allen Seiten herbei, neugierig das
wunderbare Fahrzeug und seine Einrichtung anstaunend. Das Einpacken
geht dank der Unterstützung zahlreicher Leute schnell vonstatten. Das Netz
wird abgezogen, zusammengelegt und in dem Korbe untergebracht; die
Hülle wird zuerst flach ausgebreitet und dann wie ein Mantel zusammen¬
gerollt. Schließlich sind aus dem ganzen Ballon zwei mächtige Pakete
geworden, die bequem auf einem Leiterwagen unterzubringen sind. Nach¬
dem sich die Ballonfahrer von den Strapazen der Reise erholt haben,
lassen sie sich an die nächste Eisenbahnstation bringen, um in bequemerer,
wenn auch weniger anregender Fahrt nach Hause zurückzukehren.
Dr. Reinhold Süring (Originalartikel.)
69. Da« lenkbare Luftschiff des Grafen Zeppelin.
Eine Ballonfahrt durch die Lüfte, das muß wahrlich ein Ver¬
gnügen sein. Da sitzen die Luftschiffer in dem angehängten Korbe
wie in einer Kutsche und schweben geräuschlos über die buntfarbige
Landschaft dahin. Eins nur erfüllt sie mit Besorgnis: sie wissen