Full text: [Dritter Teil = (6. bis 8. Schuljahr)] (Dritter Teil = (6. bis 8. Schuljahr))

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Klage will wenig bedeuten. Schon sind Jahre vorbei, seit diese 
Händel geschehen. Mir gehörte die Wurst; ich sollte mich damals 
beschweren. Jagen war ich gegangen; auf meinem Wege durchsucht’ 
ich eine Mühle zu Nacht. Es schlief die Müllerin, sachte nahm ich 
ein Würstchen, ich will es gestehn; doch hatte zu dieser Wackerlos 
irgend ein Recht, so dankt er’s meiner Bemühung.“ Und der Panther 
begann: „Was helfen Klagen und Worte? Wenig richten sie aus. 
Genug, das Übel ist ruchbar. Er ist ein Dieb, ein Mörder, ich darf 
es kühnlich behaupten. Ja, es wissen’s die Herren, er übet jeglichen 
Frevel, möchten doch alle die Edlen, ja selbst der erhabene König, 
Gut und Ehre verlieren, er lachte, gewönn’ er nur etwa einen Bissen 
dabei von einem fetten Kapaunen. Laßt euch erzählen, wie er so 
übel an Lampen, dem Hasen, gestern tat. Hier steht er, der Mann, 
der keinen verletzte. Reineke stellte sich fromm und wollt’ ihn allerlei 
Weisen kürzlich lehren, doch Reineke konnte die Tücke nicht lassen: 
innerhalb unseres Königes Fried’ und freiem Geleite hielt er Lampen 
gefaßt mit seinen Klauen und zerrte tückisch den redlichen Mann. 
Ich kam die Straße gegangen, hörte beider Gesang, der, kaum be¬ 
gonnen, schon wieder endete. Horchend wundert’ ich mich, doch als 
ich hinzukam, kannt’ ich Reineken stracks; er hatte Lampen beim 
Kragen; ja er hätt’ ihm gewiß das Leben genommen, wofern ich 
nicht zum Glücke des Wegs gekommen wäre. Da steht er! Seht die 
Wunden an ihm, dem frommen Manne, den keiner zu beleidigen 
denkt. Und will es unser Gebieter, wollt ihr Herren es leiden, daß 
so des Königes Friede, sein Geleit und Brief von einem Diebe ver¬ 
höhnt wird: 0, so wird der König und seine Kinder noch späte 
Vorwurf hören von Leuten, die Recht und Gerechtigkeit lieben.“ 
Reinekens Neffe, der Dachs, nahm jetzt die Rede, und mutig 
sprach er zu Reinekens Bestem, so falsch auch dieser bekannt war. 
„Alt und wahr, Herr Isegrim,“ sagt er, „beweist sich das Sprichwort: 
Feindes Mund frommt selten. So hat auch wahrlich mein Oheim 
Eurer Worte sich nicht zu getrosten. Doch ist es ein Leichtes, wär’ 
er hier am Hofe so gut als Ihr und erfreut’ er sich des Königs 
Gnade, so möcht’ es Euch sicher gereuen, daß Ihr so hämisch ge¬ 
sprochen und alte Geschichten erneuert. Aber was Ihr Übles an 
Reineken selber verübet, übergeht Ihr; und doch, es wissen es manche 
der Herren, wie ihr zusammen ein Bündnis geschlossen und beide 
versprochen, als zwei gleiche Gesellen zu leben. Das muß ich erzählen. 
Denn im Winter einmal erduldet’ er große Gefahren Euretwegen. 
Ein Fuhrmann (er hatte Fische geladen) fuhr die Straße; Ihr spürtet 
ihn aus und hättet um alles gern von der Ware gegessen, doch fehlt’ 
es Euch leider am Gelde. Da beredetet Ihr den Oheim: er legte 
sich listig gerade für tot in den Weg. Es war, beim Himmel, ein 
kühnes Abenteuer; doch merket, was ihm für Fische geworden. Und
	        
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